Liebesweisheit

Jeden packt einmal die dicke Liebe,
packt einmal die feiste Leidenschaft;
und sie dauert, bis zu dem Betriebe
eines Tags der heilige Fleiß erschlafft.
Mit der Tatkraft schwindet die Begeistrung.
Schwer- und Weh- und Übermut entschwebt,
trotz der schämigen Gefühlsverkleistrung,
welcher die Gewohnheit sich bestrebt.
Kritisiert wird, wo man sonst geschmachtet;
die Figur, der Zuschnitt des Gewands
wird mit nörgelndem Verdruß betrachtet –
des bislang geliebten Gegenstands.
Auch der Spendereifer ist geschwunden:
Früher war ein liebreiches Geschenk
mit entzücktem Opferstolz verbunden;
heute schmerzt es nur im Handgelenk.
Und die Hand, die sonst in weichen Wellen
glättend hinfuhr, wo sich zeigt ein Weh,
legt sich neuerdings in solchen Fällen
schwer und wuchtig auf das Portemonnaie.
Freund, hat dich gepackt die dicke Liebe,
und erfüllt dich feiste Leidenschaft – –
prüfe wohl, wann dir zu dem Betriebe
eines Tags der heilige Fleiß erschlafft.
Denn das ist die gottgewollte Stunde,
abzuschließen mit entschlossenem Schnitt,
wo als neuer Mensch zum ewigen Bunde
mit der Frau man zum Altare tritt.

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