Nemesis
Die Götter lieben was bescheiden:
Sie segnen reich das Werk der Pflicht:
Das Stolze wollen sie nicht leiden,
Das sich vom heil'gen Maß will scheiden –
Doch neidisch sind die Götter nicht.
Dem Pflüger, der die Frucht der Erde
Mit stillem Fleiße schwer gewinnt,
Wenn er am fromm bekränzten Herde
Im Weine löset die Beschwerde, –
Ihm sind die Götter hold gesinnt.
Den Schiffer, der den Dioskuren
Vertraut und nicht dem eignen Mast
Und, landet er an fremden Fluren,
Den Göttern dankt, die mit ihm fuhren, –
Es ist kein Gott, der solchen haßt.
Doch der die freien Lüfte wollte
Sich unterwerfen: Ikarus,
Er wagte, was der Mensch nicht sollte,
Daß ihm der Gott des Äthers grollte,
Und warf ihn in den Tartarus.
Zu stolz hat Niobe gesprochen,
Zu sicher Krösos sich gesonnt,
Antigone das Recht gebrochen,
Und Xerxes hat das Land durchstochen
Und überbrückt den Hellespont!
Und Phaëthon, der staubgeboren
Dem Gott des Lichtes griff ins Amt,
Prometheus, der um Menschentoren
Den Bund der Götter abgeschworen, –
Erlegen sind sie allgesamt.
Denn, wer mit ungezähmten Sinnen
Der ew'gen Ordnungen vergaß,
Das Unerhörte zu gewinnen,
Das Unerlaubte zu beginnen
Sich kühnen Übermuts vermaß, –
Den stürzen sie, die Allgerechten,
In ew'ge Nacht und Finsternis:
Streng ob den Guten und den Schlechten
Herrscht, mächtig über allen Mächten,
Die höchste Göttin: – Nemesis.
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