Consilium Medicum
Frau Poesie war krank,
Verwitwet schon seit manchem Jahr,
Wuchs scheinbar stündlich die Gefahr.
Die Stirne heiss,
Die Zunge weiss,
Die Haut bald Frost und bald in Schweiss;
Im ganzen Leib ein schmerzlich Jucken,
Von Krämpfen alle Nerven zucken,
Obschon noch rüstig und nicht alt,
Schien nah des Todes Nachtgewalt.
Doktores kamen von allen Seiten,
Die erst sich begrüssen und dann bestreiten;
Hippokratisch, homöopathisch,
Allopathisch, hydropathisch,
Antipathisch,
Philosophisch gebrüstet,
Historisch gerüstet,
Dogmatisch, kritisch,
Klassisch, britisch;
Schreiben Rezepte in langen Zeilen.
Umsonst, – die Kranke war nicht zu heilen!
Da kam ein Bader vom Land herein,
Besieht die Kranke beim Tagesschein,
Erforscht den Puls, die Zunge auch,
Befühlt die Weichen und den Bauch;
Zuletzt hebt er mit Lachen an:
»Die Wissenschaft hier wenig kann,
Der guten Dame fehlt ein Mann!«
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