Die Schlacht am Speicher
In dem grünen Speicherwald,
Drunter schmucke Häuser liegen,
Werden freie Männer bald
Fröhlich sterben oder siegen.
Von dem Sternenhimmel sieht
Gott auf sie, der Herr der Schlachten,
Wo das fromme Häuflein kniet,
Betend hier zu übernachten.
»Wenn es sein mag,« flehen sie,
»Laß, o Herr! uns hier genesen!
Oder sei der Boden hie
Uns zum Kirchhof auserlesen
Wer sich fliehend umgewandt,
Werd' auf fremder Erd' erschlagen,
Nicht das freie Vaterland
Soll im Schoose solchen tragen!«
Und der erste Sonnenstral
Lächelt, wie sie sprechen Amen,
Als die Feinde von dem Thal
Nach den Höhn gestiegen kamen;
Vorn die Edeln, hoch zu Roß,
Die im Sattel stählern sitzen,
Ihnen folgt ein kecker Troß
Leichtbewehrter Bogenschützen.
Doch sie sind die letzten nicht,
Die bergan behende laufen:
Hinten erst im Sonnenlicht
Glänzen die gewalt'gen Haufen:
Dicht, wie Blumen in dem Lenz,
Funkeln Helme, winken Hüte;
Constanz, Ravenspurg, Bregenz
Sendet seiner Männer Blüte.
Und die Kirche schickt den Bann
Fluchend in des Hirten Ohren,
Pfaffe, Bürger, Edelmann
Haben Schmach ihm heut geschworen.
»Will der Bauer,« sprechen sie,
»Gegen uns sein Haupt erheben?
Nieder muß er auf das Knie,
Muß erst betteln um sein Leben!«
Hättet ihr geschauet ihn,
Ei, wie würdet ihr ihn loben,
Denn er lag schon auf den Knie'n,
Jetzt erst hat er sich erhoben.
Ja, vor Gott hat er gekniet,
Doch vor euch denkt er zu stehen,
Ob er schon zurück sich zieht,
Klug verborgen auf den Höhen.
Einsam trifft der Feind den Wald,
Ein Verhau von wenig Stämmen
Macht ihm keinen Aufenthalt,
Kann den raschen Zug nicht hemmen.
Aus der Städter rüst'gen Reih'n
Treten vor die Zimmerleute,
Stoßen ihn mit Lachen ein:
»Appenzell, bist unsre Beute!«
Sieh da! von den höchsten Höh'n
Rasselt es mit Steinen nieder,
Wie im Sturme Schlossen weh'n,
Und zersprengt die vordern Glieder.
Und die Rosse bäumen sich,
Drängen an's Gehölz den Reiter,
Und wenn vornen Einer wich,
Weichen hinten zehen Streiter.
Dann in den verwirrten Zug
Schießt der Pfeil und fährt die Lanze,
Jetzt herunter erst im Flug
Stürmt der Hirt vom Bergeskranze;
Auf die dichten Haufen ein
Haut er mit dem starken Arme,
Und vergebens muß es sein,
Wehrt sich einer aus dem Schwarme.
Denn es fliegt der Alpenhirt
Hüpfend auf die Felsenstücke,
Daß kein Streich, kein Schuß verirrt
Unter seinem sichern Blicke,
Bis des Klosters Knechte fliehn,
Die zuerst, wie feige Weiber,
Stürzen auf die Andern hin,
Wie auf's scheue Vieh die Treiber.
Hunderte, sie möchten's gern,
Kommen drunten nicht zum Schlagen,
Und die Hirten stehn von fern,
Schnelle Gemsen gilt's zu jagen.
Hier und dort, als edles Wild,
Hält ein Häuflein noch von Rittern,
Dem die Brust von Grimme schwillt,
Daß die Andern feige zittern.
Doch erliegen sie dem Streit,
Oder fliehen mit dem Heere,
Da zerreißt sein Wappenkleid,
Wem noch lieb ist Ritterehre.
»Neben Pfaffen kämpfen wir,
Neben Söldnern schnöder Städte!
Weiche von uns Stammeszier!
Fall' zu Boden, goldne Kette!«
Endlich steht nur Einer noch
Als des Ahnenruhms Bewahrer,
Stolz, von Wuchse riesig hoch,
Vom Geschlecht der edlen Blarer.
Ein dreifältig Panzerhemd
Deckt ihn wider alle Streiche:
Seinen Rücken angestemmt,
Ficht er unter einer Eiche.
Den besieht vom Berge sich
Doch zuletzt ein Hirtenjunge:
»Hilft mir Gott, so fäll' ich dich!«
Hebt die Schleuder dann zum Schwunge
Einen spitzen Stein er schießt
Ihm so flink durch's Helmesgitter,
Daß das Blut sich draus ergießt,
Und zu Boden stürzt der Ritter.
Drauf herab hat sich die Flucht
In Sankt Gallens Thal gezogen,
Zwanzig Hirten in die Schlucht
Sind ihr kühnlich nachgeflogen;
Werfen einen Feuerbrand
Vor den Thoren in die Mühle,
Und gemach aus Feindesland
Ziehn sie in der Morgenkühle.
Und kein Schwert, kein Schild mehr klirrt;
Auf dem Speicher weidet wieder
Still der Appenzeller Hirt,
Schaut in beide Thäler nieder;
Höret aus dem Appenzell
Freien Volkes Jubel schallen,
Und ein Totenglöcklein hell
Tönt herüber aus Sankt Gallen.
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