Am Rhein ob Ragaz

Winde kühl die Höh bestreichen
Ob des jungen Rheines Land,
Weiße Wolkenflöckchen schleichen
Müd an grauer Felsenwand.
Tal hat überwölkt sich leise,
Höchste Kuppe sacht verhüllt,
Senkrecht überm Strom die Kreise
Zieht ein Weih. – Sag, was erfüllt
Dich mit abendwolkenweichen
Stimmungen, die von den Höhn
Zu den flachen, windmühlreichen
Ebenen herniedergehn?
Bist auf wunderlicher Reise,
Und du selbst begreifst sie kaum,
Grubst dein Bett auf eigne Weise,
Suchst in Windungen dir Raum.
Muß dich öder Strecken Lauf bedrücken?
Bangt vor jäher Biegung dir das Herz?
Traubengold wird deine Ufer schmücken,
Festlich heitre Schiffe trägt dein Rücken
Durch begabte Gaue nordmeerwärts.
Nebenwasser, die dein Wachstum sind,
Haben Berge rechts und links zerrissen –
Die sich schäumend durchs Gestein gebissen,
Die Tamina braust aus Finsternissen
Keck dir zu, ein ungestümes Kind.
Sahst du sie die schroffen Klüfte sprengen,
Wo aus Schatten Drachenleiber drohn?
Grüne Buchenwimpel turmhoch hängen
Ob der Schlucht, hellschimmernd wie ein Ton
Aus des süßen Lebens Lichtgesängen ...?
Ach, so fließe nur hernieder
Und erweitre deine Bahn,
Machtest du doch Felsenglieder
Deinem Willen untertan.
Gibst dem breiten Marktverkehre
Mit dem weiten Schoß dich hin,
Doch im Tiefland bis zum Meere
Wahrst du deiner Quellen Sinn.
Sprudeln wie am tollsten Tage,
Schäumen mög' es da und dort –
Trage, Strom der Seele, trage
Deine Jugend mit dir fort!

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