Beim Tiroler

Der Wein wuchs in Tirol
Und nicht zu meinem Leide –
Ihn trank mein Ahne wohl,
Der von der Vogelweide.
Herr Walter war daheim
Bei Brixen oder Bozen,
Wo von dem starken Seim
Die blauen Beeren strotzen.
So will ich als Genoß
Ihn freundlich aufbeschwören,
In kühlem Weingeschoß
Soll er mein Prosit hören.
Willkommen, edler Gast!
An diesem Tisch verweile!
Der du »diu mâze« hast
Erwählt zu deinem Heile.
Tief aus dem Weinpokal
Der Welt hast du getrunken,
Nie ward der Trank dir schal,
Zu Asche nie dein Funken.
Der Minne Heidebett,
Die Lust der süßen Frauen,
Des Kampfes Ruhestätt' –
Laß dir ins Auge schauen!
Du warst in wirrer Zeit
Ein lebensweiser Singer,
Mit frommer Innigkeit
Ein tapfrer Freudenbringer.
Du schenkst gewiß auch heut
Bei diesem Trunk, dem stillen,
Mir, was das Herz erfreut,
Und scheuchst die feigen Grillen.
Was uns das Leben bringt
An schmerzlichem Erfahren,
Ein kleiner Vogel singt
Seit vielen hundert Jahren:
»Kommst du in düstern Wald,
Und regnet's rings von Püffen
Aus hohlem Hinterhalt –
Freund, laß dich nicht verblüffen!
Lach in die dickste Nacht
Und schreite unerschrocken
Zum Tort der Niedertracht!
Sie bleibt im Finstern hocken.
Du aber gehst getrost
Mit deines Liedes Segen,
Ob dich der Spuk umtost,
Dem Morgenlicht entgegen.«
In diesem Sinn, stoß an,
Herr Walter von Tirole:
Wenn man drauf pfeifen kann –
Der argen Welt zum Wohle!

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