Psalm
Ich habe die Tiefen des Elends geschaut,
Und es hat mir in Tiefen der Seele gegraut.
Ich sah lebendiger Toten Skelett
Und stand an der Buhlen entweihtem Bett.
Die stolze Vermessenheit sah ich im Schwang
Und lauschte der Reichen betörtem Sang.
Die Seelen sah ich verkauft und feil,
Nach Gold und Ehren und Wollust geil.
Der Knechte traf ich ein zahllos Heer
Und fand der Lügner und Heuchler noch mehr.
Im Bethaus sah ich vor Gott sie knien
Und sah, wie sie heimlich den Heiland bespien,
Und lachten verborgen und trieben Hohn
Und krochen hündisch zu Kreuz und Thron.
Und ich sah, was mir höllisch die Sinne gepackt,
Sie die Wahrheit peitschen – notzüchtigen nackt!
Und zu Boden sank ich und rang und rang
Und lag todmüde und lebensbang.
Meine Seele war wüst und mein Geist war Nacht,
Da flammte ein Strahl, nun bin ich erwacht,
Und ich schreie empor voll brünstiger Glut:
Du Geist der Welten! Verleih uns Mut,
Daß das Zagen zergeht und der Zweifel zerbricht,
Zu sehnen und suchen das ewige Licht,
In harrender Treu, in Gedanken und Tat,
Wann der Abend sinkt, wann der Morgen naht,
Mit der Liebe Rüstung im brennenden Kampf,
Schildleuchtende Helden im Nebeldampf,
Mit des Mitleids Helm, mit der Wahrheit Speer,
Zahllos sich mehrend ein siegreich Heer,
Zu lösen das Leid und die Welt zu befrein –
O selig, Lichtzeuge des Lebens zu sein!
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