Vom Dorfe

I.

Still ist’s im Dorf – der letzte Erntewagen
Er schwankte eben voll und schwer herein;
Die Abendglocken haben ausgeschlagen,
Die Sonne sank mit sanftem Purpurschein.
Es ist ein Abend, recht wie ein Idyll,
Wo in der weiten Runde Alles still,
Und nur der Heimchen alte Flüsterweisen
Den Tag, der nun vollendet, selig preisen.

Die Mondessichel hängt am Firmamente,
Die Sterne wandeln den gewohnten Gang,
Wie da man sehnend dorthin hob die Hände,
Und noch vom Mondschein blasse Lieder sang.
So steh ich einsam in des Gartens Ruh,
Seh ruhig nur den bunten Blumen zu –
Erinn’rung führt zu weit vergangnen Tagen,
Der Kindheit Buch liegt vor mir aufgeschlagen.

Still ist’s im Dorf – doch plötzlich welch Bewegen
Geht durch die Luft, die still zu stehen schien?
Ich will das Haupt dicht an die Erde legen,
Daß in das Ohr des Schalles Wellen ziehn.
Es klang wie Jagdruf und wie Büchsenknall,
Wie tausendfacher Menschenstimmen Schall – –
Nicht möglich! – nein – ein Wahn hat mich bethört,
Wie würde hier und jetzt ein Schuß gehört?! –

II.

Und doch geschah’s – die Ernte ging zu Ende,
Im stillen Dorf beim letzten Abendrot.
Doch dort – doch dort gab es noch fleißge Hände,
Und eine andre Ernte hielt der Tod.
Die Sonne hat es wohl voraus gesagt
Und hat die Nacht als blutig schon verklagt,
Als mit dem Purpurmantel weit umhangen,
Der schöne Tag zur finstern Ruh gegangen.

Traun, dieser Nacht, da gab’s nicht sanfte Träume,
Es ward ein Schauerdrama aufgeführt –
Da gab’s viel Volk und weite Bühnenräume,
Und manche Brust im innersten gerührt,
Und manches Herz, das plötzlich stille stand,
Und manche Seele, die zum Himmel schwand,
Und manchen Schrei, der, wenn auch hier verwehret,
Vor Gottes Throne ward gewiß gehöret.

Das war kein Girren holder Nachtigallen,
Kein Heimchenzirpen, das so spät erklang!
Nur Hilferuf hört man zum Himmel schallen,
Das schönste Lied war manches Schwanensang.
Das schönste Lied – Ihr macht es nicht zum Spott,
Denn: „Eine feste Burg ist unser Gott!“
Und ließ er auch die nächt’ge That geschehen,
Wir bleiben doch in dem Vertrauen stehen.

Die Mondessichel schied vom Firmamente,
Die Sterne wandeln den gewohnten Gang,
Sie sahn herab auf hoch erhobne Hände.
Zum Jammerruf, der sich der Brust entrang,
Die Nacht hat wohl für Klagelieder Raum,
Doch keinen mehr zu einem sanften Traum,
„Ein’ feste Burg ist unser Gott!“ tönt’s wieder,
Wir singens doch, das schönste unsrer Lieder!

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