Schön Sidselil und Ritter Ingild
Schön Sidselil schnürte sich so knapp und schlank,
Daß ihr die Milch aus den Brüsten sprang.
»Was seh ich herzliebes Töchterlein!
»Dir sprützt ja die Milch aus den Brüsten dein!«
»Es ist nicht Milch, das den Busen mir näßt,
»Es ist vom Meeth, den ich eben gepreßt.«
»Lehre du mich kennen Milch und Meeth!
»Ist braun denn die Milch und weiß der Meeth?«
»Ach Mutter vergebt, Herzmutter, verzeiht!
»Ritter Ingild, der Wackre, hat um mich gefreit!«
»Ritter Ingild, der Kecke, thät um dich frein?
»Was gab er dir denn für die Ehre dein?«
»Er gab mir ein roth seidenes Kleid,
»Ach! aber ich trug es mit Jammer und Leid.
»Er gab mir ein Paar silberspangiger Schuh,
»Ach! aber, sie la’n mir nicht Rast noch Ruh.
»Er gab mir eine Harfe von Gold,
»Damit ich meine Sorgen beschwichtigen sollt’.«
»Nun, Tochter, ich schwöre beim heiligen Gott,
»Ihr beide müßt sterben den schmählichsten Tod.
»Ritter Ingild muß hangen hoch oben auf Gaal,
»Und brennen mußt du tief unten im Thal.«
Schön Sidselil nahm ihre Harfe gut,
Zu schwichtigen ihren traurigen Muth.
Sie schlich wohl hin im Mondenschein
Vor Ritter Ingilds Kämmerlein.
Sie schlug die lispelnden Saiten an,
Zu wecken den schlafenden Rittersmann.
Sie schlug die Saiten rauschender an;
Noch säumte der träumende Rittersmann.
Sie flisperte leise zum Schlüsselloch ’nein:
»Wach auf, Ritter Ingild, und laß mich ein!«
»Ich bin noch so müde. Ich schlief erst ein.
»Ich stehe nicht auf, und lasse nicht ein!«
»Ritter Ingild, steh auf, und laß mich ein,
»Ich habe gesprochen mit Mutter mein.
»Sie hat mir geschworen beim heiligen Gott:
»Wir müßten sterben den schmählichsten Tod.
»Du müßtest hangen hoch oben auf Gaal;
»Und brennen müßt’ ich tief unten im Thal!«
»Nein Liebchen, du sollst nicht brennen für mich;
»Und ich, ich will nicht hangen für dich.
»Geh eilend, und nimm dein Gold aus dem Schrein,
»Derweile ich sattle den Rappen mein.«
Er warf ihr über den Mantel blau,
Und hub sie auf seinen Rappen grau.
Sie ritten so rasch, sie ritten so lang,
Schön Sidselil ächtzte so schwer und bang.
»Schön Sidselil, wird dir der Weg zu lang,
»Oder macht mein Sattel dir weh und bang?«
»Ritter Ingild, der Weg wird mir nicht lang,
»Doch macht dein Sattel mir angst und bang.«
Er hub sie herunter vom dampfenden Roß,
Und legte sie sanft ins weiche Moos.
»Wie wird mir – hilf Himmel – es würgt mich schier,
»Ach! hätt’ ich nur eine meiner Frauen bei mir.«
»Deine Frauen sind weit, so weit von hier,
»Ich aber bin bei dir, und helfe dir.«
»Dir ziemt nicht zu schauen der Kreisenden Noth.
»Viel lieber sterb’ ich den bittern Tod.«
»Verbinde mir, Traute, die Augen mein,
»Und laß mich eine deiner Frauen seyn!«
»Wie wird mir – hilf Himmel – verschmacht ich doch schier!
»Ach hätt’ ich nur Einen Trunk Wassers hier!
Ritter Ingild war ihr so hold und treu;
Er nahm ihren silberspangigen Schuh,
Er rannte weithin zum klaren Born
Durch Sumpf und Busch, durch Distel und Dorn,
Er schöpfte des Wassers. Er rannte daher,
Eine Nachtigall sang ihm traurige Mähr.
»Schön Sidselil liegt todt im seidenen Moos,
»Ihr liegen zween holde Knäblein im Schooß.
Er achtete nicht auf den traurigen Sang,
Er rannte den sumpfigen Anger entlang,
Und als er kam, wo schön Sidselil lag,
Da ward er gewahr, was die Nachtigall sprach.
Schön Sidselil lag todt im seidenen Moos,
Ihr lagen zween todte Knäblein im Schooß.
Er grub ein Grab so tief als breit,
Und legte seine drei Lieben hinein,
Und als er stand hoch über dem Grab,
Da däucht’ ihn, es weinten die Kindlein im Grab.
Er stemmte sein Schwert wohl gegen den Stein,
Und stieß es sich tief ins Herz hinein.
Schön Sidselil war ihm so hold und treu;
Nun schlafen beisammen die Liebenden zwei.
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