Ein neuer Hohenzollernprinz
Freudenschwanger hängt die Wolke
Über allem Preußenvolke,
Jeder Gute hofft und bangt,
Daß ein Prinzlein angelangt.
Von dem Tage der Vermählung
Und bis jetzt ergibt die Zählung,
Daß der Zeitpunkt eigentlich
Allbereits und schon verstrich.
Pastor Demmel, den man fragte,
War's, der patriotisch sagte:
»Seiner Zeit und immer war
Pünktlich unser Zollernaar.«
Und er fügte bei: »Indessen
Darf man niemals nicht vergessen,
Daß der Herr auch dieses lenkt;
Manchmal anders, wie man's denkt.
Unerforschlich ist sein Walten,
Denn er kann das Kind gestalten
Männlich, weil wir im Gebet
Ihn um dieses angefleht.
Wenn's auch gegenteilig wäre,
Ihm sei Lob und Preis und Ehre!
Immer kommt es, wie es muß.
Hosianna! Amen! Schluß!«
Schon bedeutend objektiver
Sprach Professor Doktor Kiefer:
»Neunmal dreißig Tage sind
Das Normale für ein Kind.
Doch bei Fürsten wie bei Bauern
Kann es manchmal länger dauern;
Machen wir daraus kein Hehl,
Öfter schlägt es gänzlich fehl.
Kurz, man kann nichts überstürzen,
Nichts verlängern, nichts verkürzen;
Neunmal dreißig ist als Zahl
Nur die Regel und normal.
Kommt ein Kind, dann unausbleiblich
Ist es männlich oder weiblich,
Welches aber von den zwein,
Weiß der Arzt erst hinterdrein.«
Wissenschaft und frommes Hoffen
Ließen so die Frage offen,
Die bei Hof und auch im Land
Viele auf die Folter spannt.
Niemand hat so schwer empfunden
Die erwartungsvollen Stunden
Wie der Hohenzollernaar,
Weil er hauptbeteiligt war.
Spähend muß er sitzen bleiben,
Daß sich ihm die Federn sträuben,
Während er sich Zweifel macht,
Ob es hunderteinmal kracht.
Mancherlei Prophetenzeugnis
Hört man über das Ereignis.
Meistens günstig; unterweil
Sprach man auch das Gegenteil.
Eine gute Frauenseele
Namens Probst in Hundekehle
War noch im besondern klug,
Auch indem sie Karten schlug.
Bei der Nacht, wo sie erwachte
Und an ihren König dachte,
Sah sie deutlich überm Bett
Etwas, was die Mannsform hätt'.
Als sie's näher wollt' erkunden,
War es plötzlich weg, verschwunden,
Und da ward ihr offenbar,
Daß es bloß ein Zeichen war.
Auch bei Kulickes in Zossen
Legt ein Huhn ganz unverdrossen
Jedesmal ein männlich Ei,
Daß es drin ein Gockel sei.
Während dieser Wartepoche
Hat Herr Goldstein für die »Woche«
Den Artikel reserviert,
Falls das Kind ein Knäblich wird.
Er beschrieb mit Dichtergabe,
Welche Freude alles habe
Von der Hütte bis zum Thron.
Dann beschrieb er auch den Sohn.
Dann beschrieb er auch mit Rührung
Gottes gnadenreiche Führung.
Und dann legt' er mit Geduld
Den Artikel in das Pult.
Als es immer länger währte
Und die Ungeduld sich mehrte,
Kam der Aar zum Storch heran,
Und er haucht ihn grimmig an.
Ob er weiß, um was sich's handelt,
Daß er so gemächlich wandelt?
Ob es nicht für Majestät
Ganz bedeutend fixer geht?
Fischt vielleicht man in den Binsen
Nur so nebenbei die Prinzen?
Ob man nicht die Ehre kennt?
Himmel Herrgottsakrament!
Als der Storch es ganz vernommen,
Ist er zornig heimgekommen,
Und er sprach mit voller Kraft:
»Dieser Aar ist lümmelhaft.«
»Ja, gewiß, er ist ein Flegel,«
Sagt Frau Störchin, »in der Regel
Kommt das bei den Großen vor,
Du mußt klug sein, Adebor!
Du bist fein, und deinesgleichen
Kann mit Grobheit nichts erreichen,
Denn er gibt's zurück mit Zins.
Bring ihm doch den Zollernprinz!«
Und so kam's. Nach wenig Tagen
Hat die Weihestund' geschlagen;
In dem Hohenzollernschloß
Gab es einen Kaisersproß.
Was die Witwe Probst gesehen,
Ist in Wirklichkeit geschehen,
Und Herr Pastor Demmel sprach:
»Das Gebet hilft allgemach.«
Und in Preußen herrschte Wonne,
Und die Wolke wich der Sonne,
Und Herrn Kulicke sein Ei
Hatte recht auch nebenbei.
Und auch Goldstein freut's erheblich:
Was er über diesen Knäblich
Ahnungsvoll der »Woche« schickt,
Ward bezahlt und fett gedrückt.
Und die alten Generäle
Schlürften in die Königssäle,
Und sie flüstern sich ins Ohr:
»Hohenzollernblut hält vor.
Det jibt wieder en Soldaten
Jut jebaut und wohl jeraten,
Immer stramm und immer stramm;
's is en janz famoser Stamm.
Tja, da kann woll jar nischt jegen;
Immer fix mit Kindersegen!
Heirat und gleich schwuppdi bum! –
– Pst! Man dreht sich nach uns um.«
Auch zwei alte Kammerchaisen
Sind voll Wonnigkeit gewesen,
Und sie pispern hinterrücks
Über diesen Fall des Glücks.
»Ha, mon Dieu! Und so was Rundes,
Dickes, Fettes und Gesundes!
Teure Gräfin, sehn Sie dies?
Wie entzückend! Hoh! Wie süß!«
»Hat es schon?« – »Gewiß, Komtesse!
In dem Bettchen war noch Nässe.«
»Teure Gräfin sahen dies?«
»Nu natürlich!« – »Hoh, wie süß!«
Preußens ganze Königstreue
Zeigte heute sich aufs neue,
Sie erschien im Volksgedräng
Und im Frack und Eskarpäng.
Unter ihrem Schiffhut schworen
Altgediente Direktoren,
Daß sie auch dem neuen Kind
Fürchterlich ergeben sind.
Richter, Schreiber, Staatsanwälte
Legen ab die Herzenskälte,
Öffnen ihre enge Brust
Froher Untertanenlust.
Und in manchem Sekretäre
Lag die Ahnung heut, er wäre
Zu Verschiedenem imstand
Für sein teures Vaterland.
Auch in den Kasernen waren
Aufgestellt Rekrutenscharen.
Heute wurde nicht geschimpft,
Sondern Treue eingeimpft.
Daß der Tag auch den Soldaten
Heilig bleibe, gab es Braten.
Feiernd seinen Herrscherstamm
Aß ein jeder hundert Gramm.
Kurz und gut, im Lande Preußen
Wollt' ein jeder sich befleißen,
Daß der Tag auch feierlich
Und mit Würdigkeit verstrich.
Doch wie waren die Gefühle
Weiter südlich? Ziemlich kühle.
Oben höflich, aber flau,
Unten ganz beträchtlich mau.
Der Fassadenmaurer Huber
Stand an seinem Mörtelzuber;
Als man ihm die Nachricht bracht',
Hat er sich nichts draus gemacht.
Holte seine Tabakflasche
Aus der linken Westentasche,
Sagte: »Was? A Preuß? A Prinz?
Ja, was kümmert denn dös ins?
Dös bekümmert ins ganz wenig;
Der werd halt amal a König
Bei die Preußen. Net bei ins.
So? Da ham s' an neuen Prinz?«
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