Die Lieder der Vorzeit
Als Knabe stieg ich in die Hallen
Verlaßner Burgen oft hinan;
Durch alte Städte tät ich wallen
Und sah die hohen Münster an.
Da war es, daß mit stillem Mahnen
Der Geist der Vorwelt bei mir stand,
Da ließ er frühe schon mich ahnen,
Was später ich in Büchern fand:
Daß Jungfraun dort von ew'gem Preise,
Die heil'gen Lieder, einst gewohnt
Und in der Edelfrauen Kreise
Beim Feste des Gesangs gethront.
Da kam der Krieger wild Geschlechte
Und warf den Brand ins frohe Haus.
Die Schwestern flohn im Graun der Nächte
Nach allen Seiten zagend aus.
Wie manche schmachtet, hart gefangen,
In eines Kerkers dunklem Grund!
Zu keinem milden Ohr gelangen
Die Kläng aus ihrem zarten Mund.
Ach, jene, die auf öden Wegen
Umhergeirret krank und müd,
Sie ist dem schweren Gram erlegen
Und sang noch einmal, eh sie schied.
In eines armen Mädchens Kammer
Ist einer andern Aufenthalt,
Sie mischt sich in der Freundin Jammer,
Wann still der Mond am Himmel wallt.
Auch manche wagt der Märterinnen
Sich in des Marktes frech Gewühl,
Sie will der Menschen Herz gewinnen
Und singet sanft zum Saitenspiel.
Getrost! schon sinken eure Bande,
Und Boten ziehn nach Ost und West,
In eine Stadt am Neckarstrande
Zu laden euch zum neuen Fest.
Ihr Heitern, kommt zu Tanzes Feier,
Laßt wehn das rosige Gewand!
Ihr Ernsten, wallt im Nonnenschleier,
Die weiße Lilie in der Hand!
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