Der Geiger
Locken und Busenbänder weh’n!
Von Wangen und von Stirnen
Strömt heisser Duft! Im Kreise dreh’n
Die Burschen sich und Dirnen!
Die laute Freude macht sich breit,
Geberden werden deutlich;
Die Burschen sind voll Zärtlichkeit,
Die Dimen lächeln bräutlich,
Die Schüchternheit, die zage, weicht,
Der Taumel herrscht, der kecke! – – –
Nur der Eine, der die Geige streicht,
Sitzt stille in der Ecke.
Das blickt und lacht so jugendfroh
In wirbelndem Entzücken!
Das ist ein Jauchzen und ein Halloh!
Ein Küssen und ein Drücken!
Mit aller Scheu ist aufgeräumt!
Wie sie sich fassen und schwenken!
Der Becher des Lebens überschäumt!
Wer wird sich da bedenken!!
Frisch! Ehe die Stunde vorüberschleicht,
Und ausgewirbelt der Reigen! – – – –
Nur der Eine, der die Geige streicht,
Sitzt immer in eisigem Schweigen.
In seinem gedankenstillen Gesicht
Sorgen geschrieben stehen;
Es ist, als säh er die Menschen nicht,
Die nach seinem Takte sich drehen;
Er schürt mit seiner Kunst die Glut
Im Busen, im sündentiefen,
Er reizt und lockt zu heller Wut
Begierden, die heimlich schliefen;
Die Dirne schreit, der Bursche erbleicht!
Messer und Augen blitzen! – – –
Nur der Eine, der die Geige streicht,
Bleibt immer im Winkel sitzen.
So sitzt er nun seit langem schon
Im öden Bann der Pflichten.
Und er ist doch die Hauptperson,
Nach der sich alle richten.
Er ist nicht eben ein übler Mann;
Viel schmachtende Blicke fliegen!
Ihn aber sieht keine der Dirnen an,
Die nach seinen Tönen sich wiegen!
Mancher Mund wird zum Kusse gereicht,
Manche Wange wird weich gestreichelt. – – –
Nur dem Einen, der die Geige streicht,
Hat noch keine der Dirnen geschmeichelt.
Nur zuweilen, wenn man rasten muss,
Und die Humpen überfliessen,
Da lässt man von dem Ueberfluss
Auch ihn sein Teilchen geniessen!
Mit Grossmannsmienen reicht man wohl
Ein Glas, sein Spiel zu lohnen.
Am Musikantentischchen soll
Heut auch mal Freude wohnen!!
Da merken wohl die Dirnen leicht
Bei seinem linkischen Neigen,
Dass der Eine, der die Geige streicht,
Recht müde geworden beim Geigen.
Und wenn man ihn dann einen Meister nennt,
Was ist ihm dran gelegen?!
Nur Fluch für ihn ward sein Talent,
Und höchstens andern ein Segen.
Er wollte, er wüsste keinen Ton
Auf seiner Fiedel zu geigen!
Dann wäre er weiter im Leben schon!
Dann tanzte er selber im Reigen!
Dann würde die Allerschönste vielleicht
An seiner Seite kauern; – – –
Und den Einen, der die Geige streicht,
Würde er nur bedauern.
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