Die Bettlerjungfrau Fifine
Heute früh, im nebelnassen
Morgen rückten durch die Gassen
Heulende Fleischklumpen an.
Menschen man nicht sagen kann.
Eine wüste Bettlerherde
Schwoll an wie der Schlamm der Erde,
Als ob reif, mit einem Schrei,
Ein Geschwür geborsten sei.
Und die eleganten Straßen
Schienen kaum den Kot zu fassen.
Der Geschäftsgang stockte still.
Jeder fragte, was das will.
Tausend Mäuler voll Gegreine,
Menschenstummel, ohne Beine,
Schoben, karrten sich heran.
Wie ein Lumpenberg kam's an.
Vor dem Polizeigebäude
Sammelte sich an die Meute,
Unheimlich und trauervoll,
Keiner wußte, was das soll.
Drunter die Dämonenalten
Schienen stutzig Rat zu halten,
Fragten endlich, scheu versteckt,
Nach dem Polizeipräfekt.
Schwierig sie die Rede bauten,
Die sie erst wie Speichel kauten.
Nur das Eine wurde klar:
Irgendwo 'ne Jungfrau war.
Von der Jungfrau war die Sprache
Und von einer Mördersache.
Endlich schrie sich Jemand rot:
»Unsere Jungfrau, die ist tot!
Tot ist sie, tot ist Fifine!«
Tausend schrien's mit einer Miene.
Ein Geheule wüst entstand,
Als käm's Weltend' in das Land.
Weiter tat sich's klar dann machen:
Gestern konnt' Fifin' noch lachen,
Heute früh liegt Fifin' tot,
Grauerwürgt im Morgenrot.
Die Fifin', die eine, ihre
Bettlerköchin im Quartiere,
Sie, die in der Garküch' stand
Von dem Betteleiverband.
Unsterblich ist sie gewesen,
Nicht nur durch gekochtes Essen,
Mehr noch durch die Jugendkraft
Und die holde Jungfraunschaft.
Fifin' war am heutgen Tage
Unbedingte Lebensfrage.
Soviel ward allmählich klar,
Daß ihr Tod nicht richtig war.
Noch mußt' man den Mörder missen.
Wer hat sie auf dem Gewissen?
Und es sprach sich scheu herum:
Ungerächt geht sie jetzt um.
Keiner konnt' den Mörder raten,
Selbst nicht Polizeisoldaten.
Und man murrte schon darob,
Als sich Jemand vorwärtsschob.
Übernächtig in den Haaren,
Drängte Jemand durch die Scharen.
Auch sein Inneres, verstört,
War, als ob's ihm nicht gehört.
Seine Arme, die erschreckten,
Hängten sich um den Präfekten.
Schreiend klappt er in die Knie:
Unschuldig wär' er wie nie!
Aufrichtig mit ganzer Miene
Schwur der Mörder von Fifine:
»Niemand hat den Mord gemacht.
Liebe hat sie umgebracht.«
Alle sollten es nur wissen:
Niemand hat sie am Gewissen,
Tot lag sie mit stummem Mund
Schon in erster Morgenstund'.
Nämlich Jeden ließ sie schwitzen,
Jeder wollte sie besitzen.
Alle diese Bettelleut'
Hatten sich um sie gebläut.
Endlich mußte man sich einen:
Lieben sollt' Fifine Keinen,
Jungfrau bleiben, vorderhand,
Für den Betteleiverband.
»Doch ich kann's nicht mehr verhehlen,
Heimlich tat sie sich vermählen,
Und ich bin der Jungfrau Mann,
Der sie nur beweinen kann.
Gestern traute uns ein Pater.
Abends war'n wir im Theater.
Wunderschön war es darin,
Wollten heute wieder hin.
Wohl ist Liebe nicht zum Lachen,
Fifin' nahm zu ernst die Sachen.
Jeden Augenblick sie schwor:
So was Schön's käm' nie mehr vor.
Sonst tat sie nur immer kochen
Alle Tage, alle Wochen.
Nicht weil sie nach Essen roch,
Hielt sie jeder Bettler hoch.
Sie stand in der Bettlerküchen
Über allen den Gerüchen,
Schon ihr Anblick hat genährt,
Heilig wurde sie erklärt.
Reichlich gab sie zum Erbauen
Brüste, Wangen, schön zu schauen.
Ich vertiefte mich mit Lust –
Keiner hat das End' gewußt.
Hör' sie noch ins Ohr mir sagen:
Jede wäre zu beklagen,
Die nicht eine Nacht bekäm' –
Auch, wenn's bös' ein Ende nähm.
Während alle Pulse rasen,
Rief sie lachend in Extasen:
Möglich ist's, daß ich am Tag
Jetzt nie wieder kochen mag.«
Liebe, die vergoldet Lumpen.
Fifin' rief's bei Talglichtstumpen:
»Küßt Du mich, wird's allemal
Hell wie im Theatersaal.«
»Und kein Kuß ging ihr daneben.
Ihr Lieb' mußt man erleben.
In und um sie, ohne Maß,
Überall ein Herz ihr saß.
Erst im frühsten Morgenschlummer
War's, als preßte mich ein Kummer.
Als ob etwas drückt aufs Dach,
Wurde ich beklommen wach.
Schrecken riß mich fast in Fetzen,
Eiskalt saß ich im Entsetzen.
Grau, wie's Licht vom frühen Tag,
Fifins Leiche bei mir lag,
Mit dem Lächeln ohne Gleichen,
Unwahrscheinlich wie nur Leichen. –
Schnell ich einen Ruck mir gab
Und sprang auf wie aus dem Grab.
Nichts wollt' sich an Fifin' rühren.
Furchtbar war ihr Tod zu spüren.
All mein Schrein blieb ohne Zweck –
Meine Füße rannten weg.
Und ich lief und kann's nicht nennen,
Wie und wohin ich tat rennen.
Vorwärts lief ich ohne Ziel,
Hinter mir lag's leichenstill.
Hab nochs Aug' voll Totenflecken,
Seh' die Stadt voll Leichen stecken.
Und ich bitt' Euch: nehmt mich auf,
Daß ich nicht ins Wasserlauf'!«
Jenem Mann, der so gesprochen,
Hing die Kinnlad' wie gebrochen.
Alle sahen es ihm an:
Lügen sind da keine dran.
Der Präfekt sprach: »Meine Herren,
Keiner darf sich hier beschweren.
Ist das Leben mal vorbei,
Nützt Euch keine Polizei.
Geht jetzt heim, Ihr guten Leute!
Fifin' ward der Liebe Beute.
Die Natur 's nicht Jedem gibt,
Daß er so wie Fifin' liebt.«
Und gleich feuchten Brunnensteinen
Sah man Tausend lautlos weinen.
Jedes Herz ward Fifin's Grab,
Jammernd senkt man sie hinab.
Heimwärts dann die Bettler krochen,
Weiterschleppend ihre Knochen.
Aber jeder Bettelblick
Trug verklärter sein Geschick.
Stolz gab Jeder Dir zu lesen:
Fifin' ist dran schuld gewesen,
Daß man dort, wo's elegant,
's Herz gezeigt vom Bettlerstand.
Trotz des Stankes und des Schimmel
Hat der Ärmste einen Himmel.
Lieb' macht selbst 'ne Bettlerin
Zu des Tages Königin.
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