Weiß fließt Nachmittaglicht
Weiß fließt Nachmittaglicht. Kühl der Himmel. Schicht an Schicht eisige Wolken.
Geronnen aus Asche und Hunger staubgrau steht die Hochsommerheide.
In Nacktheit wankt eine Schar, Männer, Frauen, Greise.
Schwarze Wunden stöhnen an allen Brüsten. Dumpf dröhnen die Herzen.
Schale Ruhe im Feld. Kahle Staubdüfte steigen. Die Schritte der Nackten im Takt
Mit dem blauen schaukelnden Reigen der Heideglocken und Astern.
Milchlichte Mägde, schwalbenschlank, lesen gebückt lila Minzblüten, Wacholderkraut,
Wecken mit Würzgerüchen den bedrückten Laut ihrer wundkranken Herzen.
Am Weg gelbe Blütenzepter der Königkerzen rauschen in jubelndem Gold,
Die Dirnen lauschen mit zagem Staunen, im Blütenrauschen raunen künftige glückhelle Tage.
Mit fahlen Augen rehschlanke Knaben traben dem Schwarme voraus,
Saugen knirschend in Qualen das kranke Blut der eigenen Wunden.
Eine Grasmücke lispelt im Brombeergerank, weiß ein Wiesel, eine Eidechse grün
Schlüpfen durch die Erdgrüfte, – kühn lüften sich junge Blicke, die Knaben hüpfen,
Durchspähen die Weiten, einer Lerche Lied wirbelt; der Knaben todmattes Blut
Wirbelt mit in Hoffnungsröte und Zukunftmut.
Schwer schreiten Frauen, narzissenweiße, umschlingen einander in heißen Reihen, singen im Wandern.
Haar flutet, strömt über wunddunkle Brüste. Ungestillt, lüstehungernd glutet ihr Atem.
Einige lösen sich still von der Schar, das schwarze und brandgoldne Haar mohnrot vom Blut durchfressen.
Sie pressen das Blut aus den Strähnen, singen Mut den zagenden Greisen:
»Laßt euer Herzrot am Wege, wir werden gesunden.
Laßt euer Herzrot zurück, lacht eurer Wunden.
Kehren wir wieder, blüht uns das scharlachne Glück,
Wir werden lachend gesunden.«
Der Greise Schar stockt. Von Falten durchwurzelt ein blutleer Gesicht spricht klagend zurück:
»Glück lockt uns nirgends am Wege.
Die Heiden kamen, die Heiden verblühten,
Weiß glühten Winter um Winter,
Jeder Morgen entzündet dunkler die Wunden.
Gesunden? – Wir werden nie mehr gesunden.«
Ein Keulenstoßen, ein Keulenschlagen, rotfleischige muskelschwülstige Männer jagen den weinenden Alten.
Heulendes Lachen höhnt. Die Stärksten werfen sich selber die Keulen an die zerschundene Brust,
Peinen mit wiehernder Lust die eigenen Wunden, entfachen der Schwachen Mut mit gegeißelten Kräften.
Blankbrüstig ein schwülgelbes Weib schleicht an einen der Starken heran,
Schlingt rauschend ihr rauchschwarzes Haar um seinen prunkenden Leib,
Ihr lechzender Atem sengt ihm das Ohr:
»Tor, ist die Stärke dein, warum liegt einsam mein Schoß?«
Er stottert. Er bleicht.
Sie durchschneidet mit einer Strähne Haar die Sehnen an seinem Arm.
Die Keule stürzt ihm ins Gras.
»Scheinkraft war nur noch dein!«
Tränen durchbrechen ihr Auge. Sie läßt den Geschwächten allein.
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