Der gute Gesell
Des Menschengeschlechts uralter Gefährte,
Der nie von seiner Seite gewichen
Seit dem Verluste des Paradieses,
Wo er mitleidig sich angeschlossen;
Der nie wird weichen von seiner Seite,
Solang auf Erden ein Mensch noch atmet;
Der unbekannte, der namenlose
Wohltäter der armen sterblichen Menschen,
Er sei gepriesen von meinem Liede,
Der alte treue gute Gesell. –
Als der Mensch gebrochen mit seinem Gotte,
Und als der elektrische Schlag der Sünde
Durch die ganze lange Kette der Herzen
Vom ersten Ahne zum fernsten Enkel
Erschütternd schlug das Geschick des Todes
Und die weithin tönende Klage;
Als die ersten Tränen auf Erden flossen,
Der Morgentau des schmerzlichen Tages;
Als hinter dem ersten Menschenpaare
Sich donnernd geschlossen des Edens Pforte:
Da folgte den weinenden Fortgewiesnen
Der gute Gesell, nachtragend heimlich
Auf dorniger Bahn ein Freudenbündel,
Das er noch eilig zusammengerafft
Im Eden, für ihre traurige Flucht. –
Kein strenger Richter, kein scharfer Denker,
Kein Weiser ist der gute Gesell;
Doch ist er ein Cicerone der Schöpfung,
Ein wortgewandter mit warmem Herzen.
Er führt uns an die Werke des Meisters,
Und weiß er nicht viel vom tiefen Geheimnis,
Vom Sinn und Geiste des ewigen Meisters,
So weiß er von den herrlichen Bildern
Doch süß zu schwatzen, mit funkelndem Auge,
Daß friedlich und wohl uns wird im Herzen.
Kein Weiser ist der gute Gesell,
Doch ein zauberkundiger Menschenfreund.
Die Armut schmerzt und der bittre Mangel:
Inmitten der irdischen Güter stehn,
Wie sie blühn und vergehn, und selbst vergehn
Und sie nie gekannt und genossen haben:
Das schmerzt am Ende, wenn noch so leise. –
Da kommt der gute Gesell in die Hütte,
Wo der arme Mann mit Weib und Kindern
Beim Abendmahl sichs behagen läßt,
Den Kienspan zündend und seinem Häuflein
Die Lust am kärglichen Mahl beleuchtend.
Der Zauberer kommt und schüttet heimlich
In die Schüssel allen Wohlschmack der Erde;
Und der arme Mann ist froh und betrachtet
Sein Weib, einst schön gepriesen und reizend,
Nun welk von Sorgen und Mutterliebe;
Doch sieht er es nicht, die blassen Wangen
Hat ihr geschmückt der gute Gesell
Mit unverwelklicher Herzensjugend. –
Der einsame Wandrer im fremden Gebirg,
Der ohne Heimat und Reisepfennig
Entgegenzweifelt der Nachtherberge:
Mit einmal fühlt er den Mut gehoben
Und schreitet rüstig durchs dämmernde Tal,
Und fester greift er den Wanderstab,
Denn der unsichtbare gute Gesell
Geht mit und lüpft ihm die schwere Bürde
Und raunt ihm ein lustiges Hoffnungsliedlein;
Er hat die Vögelein aufgestiftet
Und das hüpfende Bächlein angemuntert,
Ihm auch zu singen ein Hoffnungsliedlein.
Und findet das Lied auch nie Erfüllung,
So hats doch wohlgetan zur Stunde;
Der gute Gesell nimmts nicht so genau. –
Dort liegt an Ketten im finstern Kerker,
Den Tod erwartend, ein Verbrecher;
Jetzt naht dem Unglückseligen leise
Der gute Gesell und schenkt erbarmend
Ihm einen festen, gesunden Schlaf;
Noch steckt er ihm zu den guten Bissen,
Nachsichtig heimlich, hinter dem Rücken
Des bösen Gewissens, der Todesfurcht. –
Er weiß die trüben Erinnerungen,
Die bangen Zweifel, verlorne Sehnsucht
Allmählich der Seele zu entwenden,
Wie die Mutter dem Kind ein schneidend Gerät,
Womit es spielen möchte, verriegelt.
Undankbar hab ich ihn fortgewiesen,
Wenn er mich heilsam bestehlen wollte,
Wenn er mich freundlich wollte beschenken.
Dann ward er schüchtern und scheu zuletzt,
Und immer seltner kam er und seltner.
Verscheuchter Gefährte meiner Jugend,
O komm zurück und verzeih den Undank,
Du lieber, milder, guter Gesell! –
Wer ist er denn, der gute Gesell?
Woher des Weges? wie heißt sein Name?
Wir spüren ihn alle, doch nennt ihn keiner.
Es ist die Hoffnung vielleicht sein Kind,
Es ist der Glaube vielleicht sein Bruder
Und seine Mutter gewiß die Liebe.
Er ist ein heimlicher, namenloser
Wohltäter der armen sterblichen Menschen.
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