Der offene Schrank
Mein liebes Mütterlein war verreist,
Und kehrte nicht heim, und lag in der Grube;
Da war ich allein und recht verwaist,
Und traurig trat ich in ihre Stube.
Ihr Schrank stand offen, ich fand ihn noch heut,
Wie sie abreisend ihn eilig gelassen,
Wie alles man durcheinanderstreut,
Wenn vor der Tür die Pferde schon passen.
Ein aufgeschlagnes Gebetbuch lag
Bei mancher Rechnung, von ihr geschrieben;
Von ihrem Frühstück am Scheidetag
War noch ein Stücklein Kuchen geblieben.
Ich las das aufgeschlagne Gebet,
Es war: wie eine Mutter um Segen
Für ihre Kinder zum Himmel fleht;
Mir pochte das Herz in bangen Schlägen.
Ich las ihre Schrift, und ich verbiß
Nicht länger meine gerechten Schmerzen,
Ich las die Zahlen, und ich zerriß
Die Freudenrechnung in meinem Herzen.
Zusammen sucht ich den Speiserest,
Das kleinste Krümlein, den letzten Splitter,
Und hatt es mir auch den Hals gepreßt,
Ich aß vom Kuchen und weinte bitter.
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