Die Felsenplatte
Dort am steilen Klippenhange,
Wo der Wildbach niederschäumt,
Lehnt beim Sonnenuntergange
Einsam still ein Mann – und träumt.
Hingesenkt das gramesmatte
Angesicht, so früh verblüht,
Starrt er auf die Felsenplatte,
Die vom Abendrote glüht.
Wie er also unabwendig
Starret auf den hellen Stein,
Werden plötzlich drauf lebendig
Seine lieben Phantasein.
Seiner Kindheit Spielgenossen
Tanzen lustig drüber hin
Mit der Unschuld süßen Possen,
Laden ein zu Spielen ihn.
Auch sein Mütterlein, die gute,
Wandelt lächelnd auf dem Stein,
Die so manches Jahr schon ruhte
In dem öden Totenschrein.
Und nun sieht er unter ihnen
Klar sein eignes Jugendbild,
Mit den frohen Fremdlingsmienen
Auf der Erde Schmerzgefild.
Und er hört das laute Klopfen
In des Jünglings heißer Brust,
Sieht vom Aug ihm niedertropfen
Tränen, selig, unbewust;
Möchte mit dem Jüngling greinen,
Daß er traut der holden Mär;
Und auch wieder bitter weinen,
Daß er nicht der Jüngling mehr. –
Im Gebirge wird es dunkel,
Im Gebirge wird es Nacht,
Doch des Steines hell Gefunkel
Hat sich heller angefacht.
Aus dem Felsengrunde sprießen
Blumen auf mit süßem Hauch,
Und, die Stelle einzuschließen,
Säuselt rings ein Blütenstrauch;
Aus dem schwanken Blütengitter
Strahlt ein Mädchenangesicht,
Wie der Mond aus dem Geflitter
Leiser Silberwellen bricht.
Mit jungfräulichem Erröten
Flüstert sie: »Bin ewig dein!«
Und von allen Zweigen flöten
Nachtigelenlieder drein. –
Doch die Blumen jetzt verblassen,
Traurig schweigt der dürre Strauch,
Und der Jüngling steht verlassen,
Und der Jüngling velket auch. – –
Donner hallen in den Lüften,
Und im hellen Wetterstrahl,
Zu den Füßen des Vertieften,
Zuckt der Stein jetzt bleich und kahl.
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