Sturmesmythe

Stumm und regungslos in sich verschlossen
Ruht die tiefe See dahingegossen,
Sendet ihren Gruß dem Strande nicht;
Ihre Wellenpulse sind versunken,
Ungespüret glühn die Abendfunken,
Wie auf einem Totenangesicht.

Nicht ein Blatt am Strande wagt zu rauschen,
Wie betroffen stehn die Bäume, lauschen,
Ob kein Lüftchen, keine Welle wacht?
Und die Sonne ist hinabgeschieden,
Hüllend breitet um den Todesfrieden
Schleier nun auf Schleier stille Nacht.

Plötzlich auf am Horizonte tauchen
Dunkle Wolken, die herüberhauchen
Schwer, in stürmischer Beklommenheit;
Eilig kommen sie heraufgefahren,
Haben sich in angstverworrnen Scharen
Um die stumme Schläferin gereiht.

Und sie neigen sich herab und fragen:
›Lebst du noch?‹ in lauten Donnerklagen,
Und sie weinen aus ihr banges Weh.
Zitternd leuchten sie mit scheuem Grauen
Auf das stille Bett herab und schauen,
Ob die alte Mutter tot, die See?

Nein, sie lebt! sie lebt! der Töchter Kummer
Hat sie aufgestört aus ihrem Schlummer,
Und sie springt vom Lager hoch empor:
Mutter – Kinder – brausend sich umschlingen
Und sie tanzen freudenwild und singen
Ihrer Lieb ein Lied im Sturmeschor.

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