Der gerechte Gevatter

Ein Pilger schritt durchs Tal bergan,
Zu suchen den Gevattersmann,
Dem sich ein Herz vertrauen kann,
Weil er gerechten Sinns.

Im Sonnenglast auf hoher Hald’
Ersah er eine Lichtgestalt,
Die sprach: „Dein Suchen endet bald,
Ich bin der Herre Gott.“

Doch jener rief: „Ach nein, ach nein,
Du kannst mir nicht Gevatter sein.
Dem schenkst du Lust und jenem Pein,
O, du bist nicht gerecht.“

Durch öden Hohlweg klomm er fort,
Da saß ein Mann an düst’rem Ort,
Der sprach zu ihm mit leisem Wort:
„Nimm mich. Ich bin der Tod.“

Der Sucher sprach: „Du bist gerecht,
Den Herren schlägst du wie den Knecht,
Kein Stand ist dir zu gut und schlecht,
Es gilt, Gevattersmann!“

Und plaudernd schritten sie fürbaß,
Der Sucher sprach: „Noch künd’ mir das:
Warum versinkt ins Grabgelaß
Der spät und jener früh?“

Darauf der Tod: „Ein Lämpchen glüht
Für jeden, der dem Staub entblüht;
Bald früh, bald spät sein Licht versprüht,
Allwie das Öl gereicht.“

Und jener: „Sag’ mir dies zuletzt:
Wieviel des Öls mein Lämpchen netzt;
Sprich, wann ist mir das Ziel gesetzt?“
Da sprach der andre: „Jetzt.“

„So gib mir zu, des hast du G’walt!“
Des Todes Hand erfaßt ihn kalt:
„Du stirbst allhier und alsobald,
Wie wär’ ich sonst gerecht?“

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