Herr Dagbrand
Herr Dagbrand kämpfte harten Strauß
Mit Ungemach und Erdengraus.
Die Pest verschlang ihm Weib und Kind,
Der Krieg ihm Hof und Ingesind.
Und wie er ganz sich arm vermeint,
Stahl ihm Verrat den liebsten Freund.
Da packt Herrn Dagbrand wilde Lust,
Das Unheil zwang er Brust an Brust -
Und wieder wuchs ihm Gut und Land,
Und wieder drückt er Freundeshand,
Und wieder trug ihm Reis auf Reis
Ein lachend Liebesparadeis.
Herr Dagbrand ritt durch tiefen Wald,
Am Schenkel stramm die Faust geballt,
Und lachend sprach er still bei sich:
„Du Leben du, ich zwinge dich!“
Und ritt und ritt durch schwarzen Wald,
Da ward es eigen stille bald.
Die Blätter hingen bang und schwer,
Kein Rauschen war und Raunen mehr.
Des Rosses Huf gab keinen Klang,
Das Reh hielt still auf seinem Gang.
Und langsam, sieh! aus Sumpf und Moor
Wächst still und stumm ein Weib empor.
Ein schweigend Bild, ein ragend Bild
Wie Felsenturm im Herbstgefild.
Ihr Mantel fließt wie Nebeltau,
Vom Scheitel hängt ein Schleier grau:
Doch hinterm Schleier, dünn wie Rauch,
Kein Aug, kein Mund, kein Atemhauch.
Kein Merkmal eines Angesichts -
Der Schleier deckt ein schaurig Nichts.
Herr Dagbrand wendet scheu sein Roß,
Das fand wohl heim nach Dagbrand-Schloß.
Sein Wort erstarb wie Abendwehn:
„Nun hab ich, Leben, dich gesehn.“
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