Sündflut

Erk Mannis schaut über Holmös Strand:
Verronnen die Flut, aber tot ist das Land.

Ein Schlick und ein Schlamm und ein Trümmergraus;
Nur eines blieb ganz: das Gotteshaus.

Erk Mannis ruft! – Kein lebender Ton!
Die See gluckst leise mit glimmerndem Hohn.

Da stürmt er die Stufen hinauf zum Turm;
Sein ahnendes Grausen läutet Sturm;

Die Glocke schreit wie ein jammerndes Kind:
Gebt Antwort, gebt Antwort, wo Menschen sind! –

Nur Nebelschweigen und Todesruh.
Dein Volk ist tot. Nur du lebst, du.

Da packt ihn das Grauen; mit tappendem Schritt
Steigt er hinab; in die Kirch’ er tritt

Und sinkt in die Bank, und vors Gesicht
Ballt er die Fäuste und stöhnt und spricht:

„Ich dank’ dir mein Leben nicht, o Gott!
Dein Segen ist Fluch, deine Rettung Spott.

Wo hast du mein Weib? Wo hast du mein Kind?
Mein ganzes Volk zerstoben im Wind!

Du hast mich vergessen, ich helfe dir nach –“
Ans Messer im Gürtel greift er jach –

Da hört er ein Schwirren – er blickt hinauf:
Vom Taufstein hob sich ein Schwälbchen auf.

Beschwingtes Leben im finstern Raum!
Durchs Fenster entflog es wie ein Traum.

Er raffte sich auf; er schaute sich um –
Da sah er ein Weib, das blickte stumm

Der Schwalbe nach und blickte lang –
Bis Auge still in Auge sank.

* * *

Sie schritten schweigend hinaus vor die Tür,
Da schwirrten die Schwalben für und für.

Sie fanden ein Grabmal aus bröckelndem Stein,
Da flitzten die Flinken aus und ein.

In eines Kranzes moderndem Rest,
Da hegten die Segler ein heimlich Nest;

Da fanden die beiden zirpende Brut,
Geborgen und froh in des Todes Hut. –

Übers Meer, in die Ferne schauten sie weit.
Den Ruf des Lebens hörten sie beid’.

Heut’ lebt auf Holmö rank und recht
Ein todesmutig, ein froh Geschlecht.

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