Maestro Tod

Auf einem Tanze war ich diese Nacht;
Die Röcke flogen, und die Luft war heiß,
Die Brüste wogten, und es flackerten
Die Augen wie das Feuer im Kamin,
Wenn durch den Schornstein niederfährt der Wind.

»Oh du, oh du, dich will ich! Tanz mit mir!
Horch wie der Walzer weht!! Wie Südwind weht!!
Horch, was die Geige heiße Worte singt!
Wie Flammen fliegen ihre Töne hell,
So heiß, so heiß! Oh, wie der Walzer brennt!
Komm! In die Flammen tanzen wir hinein!«

Da schwieg die Geige. Vom Orchester fiel,
So wie ein Stein in sumpfig Wasser fällt,
Daß träge Ringe wellenflach zergehn,
Fiel dumpf ein Ton, wie eine Wolke grau,
Ein Ton, wir wußten nicht, von wem er kam,
Breit, langsam, schwer in unser Tanzgewühl.

Das gelbe Gaslicht löschte zitternd aus.
Ein nasser Eiswind fegte durch den Saal.

Wir blickten auf: In Phosphorlichte stand
Der nackte Tod am Dirigentenpult.
Er stand verschränkten Arms und lächelte.

Dann brach behutsam eine Rippe er
Aus seinem Brustkorb, klopfte leise auf
Und dirigierte, hingegeben ganz
Den Tönen, die nur er vernahm, entzückt.

In seinen Hüftenknochen wiegte er sich
Und nahm das Tempo langsam bald, bald schnell,
Rief bald die unsichtbaren Bläser an,
Bald winkte er den Geigern. Hob und senkte sich
Auf seinen Knochenbeinen, zierlich, ganz Musik.

Wir alle standen aufgewandten Kopfs,
Vor Schrecken starr, und sahn nur ihn, nur ihn.
Denn um uns her war aller Nächte Schwarz.
Dann aber fuhr in uns des Walzers Geist,
Des unhörbaren, und wir wirbelten
Im Tanze durch den kalten, finstern Saal
Und wiegten uns und drehten uns verzückt,
Und drückten Brust an Brust uns, stüsterten
Von Sehnsucht und von Liebe, lächelten
Und küßten uns im Tanz.
Maestro Tod,
Im Phosphorlicht am Dirigentenpult,
Schwang seine Rippe. Tonlos tanzten wir.

Es war ein Tanz so schön, wie nie vordem
Wir einen noch getanzt. Wir kosteten
Die Seligkeit des Blattes, das vom Baum
In schwanken Kreisen herbstlich niederweht.

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