Vom Menschen

Zwei Menschen fanden sich
Im dichten Garten des Lebens,
Wie sich zwei Blätter im Wirbelwinde finden;
Und sie zeugten mich.
Dann haben sie mich gehütet und genährt,
Gehalten und geführt,
Bis ich stark ward, allein zu gehen
In den großen, dichten Garten.

Ich bin aufs geradewohl gegangen,
Dahin, dorthin,
Hatte kein Ziel.
Irgend ein Ding in mir
Trieb mich,
Bald sachte drängend wie aus dunklen Tiefen,
Bald mit Stößen, die waren,
Als ob sie aus grellen Hellen kämen.

Manchmal stand ich still
Und lauschte:
Ob ich nicht einen Ruf vernähme, daß ich wüßte:
Wohin?

Kein Ruf.

Wanderte weiter in die Welt
Ohn Ahnen, wohin.
Aber das Ding in mir,
Das wußte wohl, wohin
Michs triebe.

Hat mich über Berge geführt,
Abgründen vorüber,
Hat mich durch schwüle Ebenen gedrängt,
Mitten durch Fieberdünste,
Warf mich aufs Meer und lehrte mich schwimmen.
Manchen Stoß erhielt ich in der Welt,
Wunden empfing ich,
Die Narben wurden,
Schmerzen wühlten sich Wohnungen in mir
Und kalkten sich ein;
Ich müßte mich selber zerreißen,
Wollte ich sie aus mir austreiben.
Ich vergaß sie, wenn sie nicht tobten,
Und, wenn sie tobten, schrie ich mit,
Bis sie stille waren.
Hetzte auch einen Schmerz auf den andern,
Daß sie sich fraßen,
Und ich lachte, wenn ich sah,
Wie sie im Uebereinanderherfallen
Stücke aus mir rissen.

Dann kamen weiche Hände und streichelten mich;
Wie ein schwarzer Baum, der grüne Knospen
Der Sonne aufthut, fühlte ich die Wollust
Im Sein zu werden.
Alles, das war,
War nur für mich,
Alle die Welt
War mein Geschwister.
Ich wuchs in die Welt, wie in der Blume
Der starke Samenstengel sich hebt,
Und mir war: Ich wäre der Sinn der Welt.

Wunderbar schwoll meine Seele aus,
Ueber mich weg in die Ahnungen des Seins;
Götter gebar ich aus mir
Und spielte mit ihnen
Spiele der Seligkeiten und Spiele der Angst,
Und schlug meine Götter tot,
Da ich ihrer müde wurde.

Nun ward ich still
Und spielte nicht mehr.
Ich sah mich selber an und erschrak,
Daß ich allein sei.
Endlos Leben an Leben um mich,
Ich aber allein,
Und nichts über mir.
Da bückte ich mich in mich selbst
Und verbarg mich in mir
Und träumte.

Was ich geträumt, war wirr und wild,
Aber als ich erwachte
War ich heiter und wußte
Den Sinn meines Lebens.
Der ist: Still mich treiben lassen von dem,
Das in mir ist und nicht fragen:
Wohin?

Dunkel sind die Ziele,
Dunkel sind die Götter,
Dunkel ist die Welt.
Aber eine warme Flamme leuchtet in mir
Und läßt mich wachsen.

Weiter weiß ich nichts als diese Flamme,
Aber in ihr ahne ich alles.

Ich laufe nicht mehr querhin durch den Garten
Und stoße mich an keinen Stein mehr.
Ich wachse wie ein Baum empor
Und fühle unendlich und immer die Wollust
Im Sein zu werden.

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