Des Heilands Verklärung
Mit heiterm Blick, mit ruhig festem Schritte
Verfolgt der Heiland seines Lebens Bahn,
Und als sich ihm mit schreckensvollem Tritte
Bereits der Tod und seine Quaalen nahn,
Verweilt er einst in seiner Jünger Mitte,
Und stille Trau’r kommt seinem Herzen an.
Es fühlt der Gott der Menschheit süße Leiden
Da er nun soll von den Geliebten scheiden.
Sie stehn um ihn vor banger Furcht beklommen,
Den nassen Blick auf seinen Mund gewandt.
Bald, spricht er liebend, werd’ ich euch entnommen,
Bald wall’ ich wieder heim ins Vaterland.
Zu leiden nur bin ich herab gekommen,
Zu sterben hat mein Vater mich gesandt.
Schon naht die Zeit, daß sich sein ew’ger Wille
In seiner heil’gen Streng’ an mir erfülle.
Bald muß ich hin nach Zions Mauern wallen,
Und bittres Leiden harret meiner dort,
Dort werd’ ich in der Feinde Stricke fallen,
Und quälen wird mich ihre That, ihr Wort,
Denn zu den Martern, zu den Greueln allen
Reißt gegen mich ruchlose Wuth sie fort,
Und schmähend wird ihr Mund noch überfließen,
Wenn sie mich sehn mein Blut am Kreuz vergießen.
Doch weinet nicht – bedeckt mit heilgen Wunden,
Werd’ ich nach dreyen Tagen auferstehn,
Neu wird mein Leib von jedem Schmerz gesunden,
Und froh werd’ ich in eurer Mitte stehn.
Doch wird der Nägel Spur nicht seyn verschwunden,
Zum festen Zeichen sollt ihr sie noch sehn,
Denn daran sollt ihr den Erstandnen kennen,
Und höher wird die Gluth des Glaubens brennen.
Doch Petrus kann nicht mehr den Schmerz besiegen,
Unhaltbar bricht der Thränen Flut hervor.
Ihn treibt das Herz zu Christi Knie zu fliegen,
Und flehend blickt er zu dem Herrn empor.
„O schone dein, o wolle nicht erliegen!
Ist’s dieß, wozu der Vater dich erkor?
Nein, ihn kann nicht des Sohnes Tod erfreuen,
Dein Leben nur sollst du den Menschen weihen.“
Da blickt der Heiland strafend auf ihn nieder,
Von höherm Lichte wird sein Blick erhellt.
Nie, spricht er, rede solche Worte wieder,
Getäuschet von dem eitlen Glanz der Welt.
Noch decket Dunkel deine Augenlieder,
Daß dir noch nicht, was göttlich ist, gefällt.
Die, die noch nach der Erde Lüsten ringen,
Sie können nicht in mein Geheimniß dringen.
Wer mir will folgen, muß sich selbst vergessen,
Muß nicht des Kreuzes harte Bürde scheun.
Was hülfs dem, der die ganze Welt besessen,
Wär nicht das Heil der ew’gen Seele sein,
Des Todes Kelch ist denen zugemessen,
Die ohne mich sich ihres Lebens freun,
Doch wer um meinetwillen es verlieret,
Der wird zu schönerm Leben eingeführet.
Des Menschen Sohn kehrt einst nach vielen Tagen
Zurück in seines Vaters Herrlichkeit.
Ihr sehet ihn aus tausend Engeln ragen,
Die der Allmächt’ge seinem Dienst geweiht,
Dann füllt das Herz des Sünders banges Zagen,
Doch des Gerechten Seel’ ist hoch erfreut;
Denn streng als Richter wird der Heiland thronen,
Und jeglichem nach seinen Werken lohnen.
Er sprachs, und als sechs Tage drauf verflossen,
Als sinkend nach dem Meer die Sonne glitt,
Und schon des Thaues Perlen sich ergossen,
Wandt’ er nach einem hohen Berg den Schritt.
Johannem winkt’ er vor aus den Genossen,
Auch Petrum und Jacobum nahm er mit.
Sie sehn den Herrn zum goldnen Gipfel steigen,
Und folgen ihm mit ahndungsvollem Schweigen.
Des Abends Ruh lag auf den weiten Auen,
Es säuselte der Lüfte kühles Wehn,
Und schon begann die Dämmerung zu grauen,
Da blieb der Herr in tiefem Sinnen stehn,
Noch einmal durch die Fluren hinzuschauen,
Noch einmal seinen Pfad zu übersehn.
Es war als wend’ am Abend seine Blicke
Er nach des schönen Lebens Tag zurücke.
Ein frohes Lächeln schwebt’ um seine Wangen,
Des Herzens Reinheit war des Blickes Licht,
Voll Ruhe schien er nichts nicht zu verlangen,
Und stets dasselbe blieb sein Angesicht,
Doch schien er alles liebend zu umfangen,
Als sey nur Hülfe seines Daseyns Pflicht;
Auf seiner Stirn war Gotteskraft geschrieben,
Doch schien er als ein Mensch die Welt zu lieben.
Und als sie drauf den Gipfel gar erstiegen,
Streckt’ er zum Himmel seine Arm’ empor.
Er betete – Zwar seine Lippen schwiegen,
Doch aus dem Antlitz sprach sein Sinn hervor.
Die Jünger hiengen an den seel’gen Zügen,
Und als zerreisse schnell des Blickes Flor,
Sehn sie ihn, wie ihr Herz ihn oft gemahlet,
Von überirrd’scher Herrlichkeit umstrahlet.
Sein Antlitz war der Sonne zu vergleichen,
Wenn sie sich aus des Meeres Schooß erhebt.
Es schien sein Haupt zum Himmel aufzureichen,
Und seine Stirn von Seraphim umschwebt.
Was sterblich war an ihm, schien zu entweichen,
Aus Glanz war wunderbar sein Kleid gewebt.
Verwandelt war er, doch die Jünger fanden
Voll heil’gen Grauns in ihm noch den Bekannten.
Und als sie schweigend, staunend und beklommen
Kaum dem vertrauten, was ihr Blick bezeugt,
Da sehn sie Mosen und Eliam kommen,
Und sehen sie vor Jesu tief gebeugt,
Und als der Herr sie sanft zu sich genommen,
Und freundlich zu den Sehern sich geneigt,
Sehn sie die Drey sich zum Gespräch verbinden,
Doch können sie die Rede nicht ergründen.
Und Petrus glaubt ein Traumbild nur zu schauen,
So wunderbar erscheint ihm dieß Gesicht.
„Hier ist es schön, hier laß uns Hütten bauen,
Zu wohnen drinn verschmäht, ihr Hohen, nicht.“
So spricht er zitternd und mit süßem Grauen,
Doch weiß der Sinn nicht, was die Lippe spricht.
Gleich einem Trunknen will er weiter sprechen,
Als neue Wunder seine Töne brechen.
Die Jünger sehn den Aether sich entzünden,
Unendlich wallt herab ein Feuermeer,
Es machet, was Gestalt ist, schnell verschwinden,
Nur Glanz ist, was sie schauen, rings umher,
Und tief erhebt die Erd’ in ihren Gründen,
Als eine Stimm’ ertönt von oben her:
Dieß ist mein lieber Sohn, mein Wohlgefallen,
Ihn sollt ihr hören, seine Wege wallen.
Da war’s, als hallten tausend Donner wieder,
Als wär ein Blitz die ewige Natur.
Die Jünger stürzten auf ihr Antlitz nieder,
Da das Entsetzen zuckend sie durchfuhr,
Es floh der Sinn, es lößten sich die Glieder,
Und ihr Gesicht trug nicht des Lebens Spur,
Doch kaum hat sie des Heilands Hand berühret,
Als die Erstarrung plötzlich sich verlieret.
Sie athmen neu, sie regen sich, sie schlagen
Den Blick empor zur sternenhellen Nacht,
Sie wissen nicht, wer sie hierher getragen,
Ob sie gestorben, ob vom Tod erwacht,
Sie kennen sich, sie möchten gern sich fragen,
Doch fesselt noch den Ton des Schreckens Macht,
Und als sie drauf allein den Heiland sehen,
Kommt ihnen wie ein Traum vor, was geschehen.
Da spricht der Herr: O eilt, euch aufzurichten;
Und folget mir nun in das Thal hinab;
Bald wird sich der Erinn’rung Dunkel lichten,
Bald stützt ihr euch auf festern Glaubens Stab.
Ich selbst will eurer Zweifel Kämpfe schlichten,
Wenn ich gesieget über Tod und Grab,
Wenn neu zum Licht aus düstrer Nacht der Todten
Des Vaters Ruf mir zu erstehn geboten.
Dann werdet ihr mit Klarheit erst erkennen
Das Wunder, das noch Dunkel jetzt bedeckt,
In festem Herzen wird die Gluth euch brennen,
Die heute Graun euch Blöden noch erweckt.
Das Schreckliche wird von dem Ton sich trennen,
Der euer Herz, das zagende, geschreckt.
Er wird mit hoher Kraft euch unterstützen,
Selbst euer Blut gern für mich zu versprützen.
Er ruft euch einst empor zu meinem Throne,
Wenn ihr vollendet eures Lebens Lauf,
Er rufet euch, zu eurer Leiden Lohne,
Zu theilen meine Herrlichkeit hinauf,
Und dankbar setz’ ich dann die Siegeskrone,
Den ew’gen Lorbeer den Getreuen auf,
An meiner Seite sollt ihr ewig leben,
Von anderm Schmuck als irdischem umgeben.
Jetzt aber bleibe bis zu jenem Morgen,
Wo sich vor mir des Grabes Thor entschließt,
Was ihr gesehn in eurer Brust verborgen,
Kein Laut verrathe, was das Herz verschließt,
Denn dann erst, wenn das Dunkel eurer Sorgen
Bey meinem Auferstehn in Licht zerfließt,
Wird meine Gottheit euch mit Kraft entzünden,
Was ihr gesehn, nach Würde zu verkünden.
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