Krüzkes Franz
Siehst du den Menschen? so glasig und öde
Starret sein Blick nach den Steinen,
In seinem Angesicht, geistlos und blöde
Seh ich nie Lachen, noch Weinen.
Wie er dahinwankt mit schlotternden Knieen,
Aschgrau die Jammergebärde,
Zitternd die mageren Finger ziehen
Kreuzzeichen über die Erde.
»Krüzkes Franz, Krüzkes Franz!« necken und höhnen
Heulend und brüllend die Knaben,
»Fränzchen, kiek hier« – so hör' ich es tönen,
»Dor ligg din Moder begraben!«
Gierig mit scheuen und schüchternen Blicken
Folgt er den höhnenden Rufen,
Aber vergebens versucht er zu drücken
Kreuze auf steinernen Stufen.
War er ein froher und munterer Knabe,
Als seine Mutter noch lebte,
Seit man sie barg in dem hungrigen Grabe,
Wahnsinn den Geist ihm umwebte.
Als man der Mutter den Grabhügel häufte,
Glaubt er, vergessen man habe,
Daß man ein Kreuz in die Lehmscholle streifte,
Ruhe ihr gäbe im Grabe.
Nimmer nun, wähnt er, könne entweichen
Jene des Fegfeuers Qualen,
Bis man das leidenerlösende Zeichen
Ihr auf das Grab würde malen.
Sucht er die Stelle, wo sie begraben,
Täglich und findet sie nimmer,
Aber es blieb, ob auch höhnen die Knaben,
Ihm noch ein rettender Schimmer.
Daß er durch Zufall könne einst finden
Jene verborgene Stelle,
Und seine Mutter vom Orte der Sünden
Aufführ' zur himmlischen Helle.
Darum wühlt er die flüchtigen Zeichen
Hastig in Wege und Gossen,
Seh' ich ihn täglich die Straßen durchstreifen
Hoffnungsvoll und unverdrossen.
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