Justinus Kerner

Justinus Kerner

18.09.1786 - 21.02.1862

Deutscher Dichter und Arzt

Justinus Andreas Christian (von) Kerner (* 18. September 1786 in Ludwigsburg; † 21. Februar 1862 in Weinsberg) war ein deutscher Dichter, Arzt und medizinischer Schriftsteller.

Herkunft und Schulzeit

Sein Vater Christoph Ludwig Kerner war, ebenso wie sein Großvater Johann Georg Kerner, Oberamtmann in Ludwigsburg. Seine Mutter war Friederike Luise, geb. Stockmaier (1750–1817). Justinus war das jüngste der sechs Kinder. Sein ältester Bruder, Johann Georg, wurde als Chronist der französischen Revolution bekannt, sein Bruder Karl wurde General, Hüttenfachmann und kurzzeitig Innenminister des Königreichs Württemberg. Darüber hinaus hatte er noch einen weiteren Bruder und zwei Schwestern.
Justinus Kerner ging in Ludwigsburg zur Schule und wurde dann zunächst in Maulbronn, wohin sein Vater versetzt worden war, von Stipendiaten der dortigen Klosterschule unterwiesen, dann erhielt er in Knittlingen Unterricht. Nach dem Tod seines Vaters 1799 steckte seine Mutter den noch minderjährigen Justinus als Kaufmannslehrling in das Kontor der herzoglichen Tuchfabrik in Ludwigsburg. Kerner gefiel die stumpfsinnige Arbeit nicht. Er fing an, zur Ablenkung Gedichte zu schreiben und die Kranken des im selben Gebäude untergebrachten Irrenhauses durch Spielen auf seiner Maultrommel zu unterhalten.

Studium

Sein ehemaliger Pfarrer und Lehrer Karl Philipp Conz, inzwischen Dichter und Professor für alte Sprachen an der Universität Tübingen, setzte bei Kerners Mutter durch, dass der Sohn studieren durfte. Von 1804 bis zu seiner Promotion 1808 studierte er Medizin und Naturwissenschaften in Tübingen.
Bereits zu Studienzeiten war er mit Ludwig Uhland und Gustav Schwab befreundet, woraus sich später der Kern der Schwäbischen Dichterschule entwickeln sollte, zu deren namhaftesten Vertretern Kerner gehörte.
1807 lernte er bei einer Feier aus Anlass von Uhlands Geburtstag seine spätere Frau Friederike Ehmann (9. Januar 1786 – 4. April 1854) aus Ruit auf den Fildern kennen, von ihm Rickele (von Ruit) genannt und in vielen Gedichten verewigt, die er 1813 heiratete. Aus der Ehe gingen die Töchter Marie (verh. Niethammer; 2. Dezember 1813 – 14. April 1886) und Emma (verh. Gsell; 16. November 1822 – 26. November 1895) sowie der Sohn Theobald (14. Juni 1817 – 11. August 1907) hervor.
Eine enge Freundschaft verband Kerner mit seinem Kommilitonen und Arztkollegen David Assing in Hamburg, der Friederike Ehmann in schwerer Krankheit geheilt hatte, ebenso mit Assings Ehefrau Rosa Maria und ihrem Bruder Karl August Varnhagen von Ense in Berlin. Diese Freundschaft erstreckte sich auch auf Assings Töchter Ottilie und Ludmilla und setzte sich in der nächsten Generation bei Theobald fort. Kerner stand auch in Kontakt mit dem Germanisten Joseph von Laßberg auf Burg Meersburg.

Kerner als Arzt und Schriftsteller

Nach seinem Studium und mehreren Reisen war er ab 1810 als Arzt tätig. Zunächst war er in Dürrmenz, ab 1811 Badearzt in Wildbad, seit 1812 als praktischer Arzt in Welzheim tätig. 1815 wurde er Oberamtsarzt zunächst in Gaildorf, ab 1819 bis zu seiner Pensionierung infolge eines Augenleidens (Grauer Star) 1851 dann in Weinsberg. Dort ließ er, nachdem die Familie zuvor meist in sehr beengten Wohnverhältnissen zur Miete gewohnt hatte, 1822 im ehemaligen Stadtgraben das heute noch als Kernerhaus zu besichtigende Wohnhaus errichten. Das mehrfach erweiterte Haus und der benachbarte, nach 1823 hinzu erworbene mittelalterliche Geisterturm beherbergten Kerners große Sammlung von Kunstgegenständen und waren gastfreundlicher Treffpunkt von Kerners zahlreichen Kontakten. Ludwig Uhland, Gustav Schwab, Nikolaus Lenau, die Brüder Karl und Louis Mayer sowie Alexander von Württemberg gingen dort ein und aus. Sein Sohn, Theobald Kerner, ebenfalls Arzt und Schriftsteller, berichtete darüber in seinem 1894 erschienenen Buch Das Kernerhaus und seine Gäste. Kerner gehörte auch dem Seracher Dichterkreis an und hatte einen Freundeskreis in München.
Sein Stil wird als schlicht und innig beschrieben, wobei sich in seinen Werken sowohl Wehmut als auch Humor und echte Herzensfrömmigkeit finden. Einige seiner Gedichte sind sehr bekannt, auch als Lieder, wie Der reichste Fürst, Wanderlied („Wohlauf! Noch getrunken den funkelnden Wein!“) oder Der Wanderer in der Sägmühle, wenn auch oft nicht bewusst ist, dass es sich um Gedichte Kerners handelt. In den Konzertsälen auch heute noch häufig aufgeführt wird der Liedzyklus Zwölf Gedichte von Justinus Kerner für Singstimme und Klavier op. 35 von Robert Schumann (1840).

Kerner, beim Maultrommelspielen von einer Erscheinung überrascht (Bleistiftzeichnung Kerners)
Später wandte sich Kerner spiritistischen, okkultistischen und somnambulistischen Fragen zu. Er nahm die Seherin von Prevorst, Friederike Hauffe (1801–1829), einige Zeit bei sich auf und veröffentlichte im Jahre 1829 zwei Bücher über sie.
Kerners Freude am Grotesken beweisen seine „Klecksographien“. Quelle dieser Beschäftigung waren die „Tintensäue“, die zuweilen auf die Briefe und Manuskripte des fast erblindeten Dichters fielen. Durch Faltung des Papiers erzeugte er aus den zerdrückten Tintenklecksen abstrakte Zeichnungen, denen er mit ein paar zusätzlichen Federstrichen eine narrative Darstellung zu geben versuchte. Das von ihm aus Klecksographien zusammengestellte „Hadesbuch“ ist in Urschrift im Schiller-Nationalmuseum in Marbach am Neckar erhalten. Der Schweizer Psychoanalytiker Hermann Rorschach benutzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts solche „Zeichnungen“ seiner Patienten in dem nach ihm benannten und stets umstrittenen Rorschachtest zur Bestimmung von Wahrnehmungsvermögen, Intelligenz und emotionalen Charakteristika.
Aus heimatkundlichem Interesse bemühte er sich um die Weinsberger Geschichtsschreibung und die Erhaltung der Burgruine Weibertreu. Er verfasste 1819 einen Aufsatz Über die Kirche zu Weinsberg und 1820 auf Grundlage handschriftlicher Quellen einen Aufsatz (1822 als Buch) über Weinsberg im Bauernkrieg, Die Bestürmung der Stadt Weinsberg durch die hellen christlichen Haufen im Jahre 1525 und deren Folgen für diese Stadt.
Seine bleibende Leistung als Arzt ist die erstmalige klinische Beschreibung der bakteriellen Lebensmittelvergiftung Botulismus in seiner 1822 erschienenen Schrift Das Fettgift oder die Fettsäure und ihre Wirkungen auf den thierieschen Organismus. Ein Beytrag zur Untersuchung des in verdorbenen Würsten giftig wirkenden Stoffes.
Justinus Kerner wurde auf dem Weinsberger Friedhof neben seiner Frau Rickele begraben. Das Grab existiert bis heute.

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