San Lorenzo
Immer haßt' ich fast unbillig
Jene freien, hitzigen Jägersleute,
Die mit dem Auge wie mit geladner Büchse
Busch und Wald und Fels so gierig durchstreifen,
Und jede schöne Gegend wie Wilpret schießen,
Im Ranzen des Bewußtseyns dann nach Hause tragen,
Und eben wie ächte Jäger
Den ruhigen Layen
Mit unendlichem Geschwätz ermüden.
Spott und Tadel hat sie oft verfolgt,
Und sie hinwieder schalten mich den trägen
Widersacher der Natur.
Aber heut will ich meinem Genius schmeicheln,
Still und warm ist die Sommernacht,
Der volle Mond leuchtet vom klarsten Himmel,
Ich lasse das dumpfe Haus und das Bett
Und weihe die Stunden dem Gefühl und der Beschauung.
Wie ich hinaus vor das Städtchen trete
Liegt unter mir die reiche, weite Landschaft,
Kenntlich, wie ein Räthsel mit Schatten und Gold umsponnen,
Der See leuchtend, ein zweiter Himmelsplan,
Und Fels und Burgtrümmer, und grüner Berg, –
Wie sehnt sich mein Herz, dies alles zu fühlen,
Mir den Einklang zu bewahren,
Und wie ich träum' und sinne
Erwachen, wie im Nest die jungen Nachtigallen,
Lieder in meinem Busen, und den Klang, das geflügelte Wort
Sucht nächst der Thräne die Sehnsucht.
Da poltert's in der Ferne aus der Stadt heran,
Und murrend scheltend nacht eine gemeine Gestalt,
Der erste Trunkne, den ich in Italien sah;
Ha! gut! schreit er, auf mich zu in Eile taumelnd,
Daß ein vernünftiger Mensch noch wach ist,
Dem ich meinen Fall erzählen, der ihn richten kann.
Breit und stotternd, zornig, prahlend,
Trägt er mir im Bauerndialekte
Seinen Zank mit Wirth und Camerieren,
Sein erlittnes Unrecht vor, und wie sehr
Man die Ehre ihm gekränkt.
Meine herrlichen Minuten und Stunden
Werden mir schlimm entweiht,
Mond und Sterne scheinen zu verblassen,
Wie ich mich weigre muß ich sprechen,
Ihn besänftigen, Recht ihm geben,
Wandelnd, scherzend kehr' ich mit ihm heim,
Und es gelingt die Ueberredung
Daß er in sein Bett will kehren,
Hier im Nebenhause, bei den Ställen.
Alles liegt im tiefen Schlaf schon,
Abschied zärtlich, noch aus dem Fenster
Lebewohl ruft er mir zärtlich nach.
Zurück kehr' ich zu meiner holden Einsamkeit,
Verzeihung flehend dem Genius der Nacht,
Einladend wieder die süßen Träume,
Die mit dem bunten leichten Gefieder
Vor dem widrigen Geschwätz entflohn.
Schon kehren die Verscheuchten wieder,
Und ein süßes Gekose,
Gesang und Stammeln, verständlich und geheimnißvoll
Rauscht das Gespräch des Innern;
Wie liebliche Waldbäche klingen
In Nacht und Stille, Stimme und Rauschen zugleich,
Stammelnde Melodie, die wie im Schlummer
Sich selber vergißt, und jauchzend das Wort dann wiederfindet.
Und wieder keucht und schnaubt heran
Das nächtliche Ungethüm:
Kann man im Bette verharren,
(So schreit er schon aus der Ferne)
Bei so herrlicher Zeit?
Und wenn man draußen einen Freund weiß,
Einen verständigen, edlen Mann,
Der mir so schön Recht gegeben,
Und der fast eben so gern als ich selber spricht?
Fahr du Bette dann wohl,
Denn noch Manches vergaß ich,
Was Sie gar sehr belehren,
Und noch die Sache in neuen Gesichtspunkt rücken wird. –
O all ihr Götter! (seufz' ich heimlich)
Ihr Najaden und Dryaden,
Und ihr des Gebirges Pfleger,
Warum straft ihr mich so hämisch,
Daß ich wohl manchmal,
Doch immer nur in Unschuld,
Eure zu eifrigen Jünger verlacht!
Wißt ihr doch selbst,
Wie ganz mein Herz euch pocht und fühlt.
Schon ist das beste Geschwätz im rauschenden Gang,
Ich lobe, bestätige, rechtfert'ge, tadle die Andern,
Aber zäher diesmal noch und unerbittlicher
Will er im Freien verbleiben.
Mit der Lüge endlich
Daß ich mich zum Lager fügen wolle,
Geht er mit mir zurück.
Wieder Betheurung der Freundschaft,
Bitten, ihn nicht zu vergessen,
Seine Freude, derlei trefflichen Mann
Gefunden zu haben an mir, –
Noch von innen grüßend, stolpert er
Die enge, steile Treppe hinauf,
Und (o Wonne) einen Riegel gewahr' ich
Die Thür' von außen zu schließen.
Zurück geh ich zum See und Himmel,
Schon wankt die Nacht, wie der Dämmrung weichend,
Schon rauschen die Bäume, nun den Morgen ahndend:
Wie schändlich, klag' ich, ist mir die herrliche Zeit geraubt,
Die ich so eigen meinem Gaumen zubereitet?
Doch die letzten funkelnden Reste des Nachtweins
Will ich ungestört nun nippen und schlürfen.
Und kaum gedacht, ist das Gespenst auch wieder da. –
Ich halt's nicht aus, so ruft er, mein waches Ehrgefühl,
Meine Kränkung und schmerzliche Verletzung,
Halten alle Sinne munter!
Und, sonderbar, – ich konnte die Thür nicht öffnen –
Da bin ich, mit mancher Gefahr,
Zum Fenster herabgestiegen.
Sind wir doch wieder beisammen,
Vergessen in der Freundschaft
Sei alle Noth!
So schwatze denn, du Höllischer!
Du von Dämonen gesandt!
Was kümmert mich Natur und Herz und Gefühl?
Ist doch der Teufel persönlich neben mir,
Der alles Göttliche verkümmert.
Wieder vom Wirth und seinen Dienern
Wird erzählt, – schon dämmert der Tag –
In den Ställen rühren sich die Maulthiere schon,
Die Vetturine beten leise und fluchen laut,
Er wird von einem Camraden gerufen, –
Den letzten Händedruck empfang' ich vom Scheidenden, –
Und wach' klopf ich den Kaffeeschenken,
Der endlich öffnet, in seinem Laden
Erquick' ich mich lachend von den Leiden
Der bösen Nacht.
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