Im Erzgebirge
Die Nacht ist kalt. Ein eisger Morgenwind
Klirrt um die dichtgefrornen Fensterscheiben,
Als wollt mit starrem Hauchen er geschwind
Die Blumen dran noch immer höher treiben,
Nur daß es Blumen sind aus Eis und Frost,
Um die verbuhlte Lieder heult der Ost.
Gespenstig lacht das Feuer im Kamin.
Als hab im Zorn es eine Sprache funden,
Die Sterne, die am hohen Himmel ziehn,
Sie schimmern hell zu Tausenden verbunden,
Sie glitzern golden leuchtend wie Krystall –
In Eis und Schnee bespiegeln sie sich all. –
Ich sitze einsam bei der Kerze Licht;
Die Menschen rings sind schlafen schon gegangen,
Ich wach allein, ich mag die Ruhe nicht,
Es flieht der Schlaf, wenn Sorgen uns umfangen,
Wenn sich ein Herz zum heißen Kampfe stählt,
Für Menschenrecht und Freiheit still sich quält.
Doch sieh, doch sieh, – ein Lämpchen traurig scheint
Gegenüber in dem Fensterlein der Hütte,
Dort sitzt die Klöpplerin noch wach und weint
Und klöppelt mühsam nach der Mütter Sitte.
Und klöppelt emsig ohne Ruh' und Rast,
Daß ihre Wange immer mehr verblaßt.
Sie klöppelt nicht für Mutter oder Kind,
Sie klöppelt nur, daß sie nicht selbst erfriere,
Daß sie sich ehrlich trocknes Brot gewinnt,
Ihr einzges Gut, die Unschuld, nicht verliere,
Der längst der reiche Lüstling nachgestellt –
Sie klöppelt, daß sie nicht vor Hunger – fällt.
Und horch und horch! an dieser Nebenwand,
Da klappert noch des Webers schnelle Spule,
Sie rastet nicht und mit geschickter Hand
Arbeitet er noch nachts am Webestuhle.
Das bleiche Weib, der Kinder blasse Schar,
Er sieht auf sie – und ist des Trostes bar;
Drum ist er wach, noch um die Mitternacht!
Wie diese Mitternacht ist all sein Leben!
Er hat es ruh- und freudenlos verbracht,
Er hörte Tag und Nacht nicht auf zu weben,
Und kaum, daß er erhielt den siechen Leib,
Des Elends Bildnis ist so Kind als Weib.
Es hat nicht not, daß Ihr mich also mahnt,
Du arme Schwester an den Klöppelkissen,
Du armer Bruder, der es schrecklich ahnt,
Daß Euch das Recht zu leben fast entrissen!
Dies heilge Recht, das selbst von Gott uns kam
Und das der Mensch den Menschen dennoch nahm!
Es hat nicht not! es ist um Euch allein,
Daß ich wie heute wach zur Nacht gesessen,
Es ist um Euch, weil Eure Not und Pein,
Der Armut Gram ich nimmer kann vergessen. –
Die eignen Sorgen trag ich still und leicht, –
Es ist um Euch, daß meine Wange bleicht!
Ich ringe Tage, ringe Nächte lang,
Und doch wie ihr arbeit auch ich vergebens,
Mich treibt der Menschenliebe heilger Drang.
Wie Ihr ernt ich nicht Früchte meines Strebens,
Doch sonder Zögern ruf ich's in die Welt:
Zerstört den Bann, der uns umfangen hält!
Den finstern Bannesfluch von Arm und Reich,
Der in zwei Hälften alles Volk geschieden!
Die ewge Liebe schuf uns alle gleich,
Verhieß uns allen: Segen, Freiheit, Frieden:
Ich ringe fort bis sich der Spruch erfüllt:
Daß Fried und Freiheit für uns alle quillt.
Deutsche Gedichte App
Dieses Gedicht und viele weitere findest Du auch in der Deutsche Gedichte App.