Aus ihrem Tagebuche
Seit Du mich verlassen
Ersticke ich schier
In meinen Gemächern.
Wo Alles mich mahnt
An das Vergang'ne,
Und Deine Gestalt
– Wohin ich nur blicke –
Entgegen mir tritt,
Wo Alles noch spricht
Mit einer Stimme
So wohl mir bekannt,
In einer Sprache,
Die Niemand versteht,
Als meine Seele ...
Wo für mich noch weht
Der Hauch Deines Athems,
Wo für mich noch schwebt
Der Duft Deiner Locken;
Wo für mich noch bebt
Im Ticken der Uhren
Ein ruhiger Pulsschlag
Der schlanken Hände,
Die auf meinem Haupt
Nur flüchtig lagen
Oh flüchtig und kühl,
Als Du mich verlassen
Für alle Zeit! ...
Wüßt' ich nur einmal
Dich noch zu finden
So wie Du gewesen,
Als ich Dich sah
Am ersten Tage.
Ich würde gehen
Dornige Wege
Mit nackten Füßen
Und blutigen Sohlen,
Stumm, ohne Klage ...
Ich würde Dich holen
Aus Noth und Elend,
Dein Heil erflehen,
Deine Sünden büßen!
Wüßt' ich nur einmal
Noch so Dich zu sehen
Wie Du gewesen
Am ersten Tage,
Ich würde suchen
Suchen ... suchen ...
Aber ich weiß es,
Wenn ich Dich finde,
Bist Du ein Andrer,
Bist wieder so hart
Wie an dem Tage,
Als ich Dich gesehen
Zum letztenmal.
So bist Du ein Andrer!
Dein schönes Haupt
Ruht an einem Herzen,
Das nimmer Dich liebt,
Das nicht an Dich glaubt.
Du lebst in Qual,
Nichtswürdige Schmerzen
Verzehren Dich,
Du fühlst, es giebt
Für Dich keinen Frieden,
Du fühlst, es wich
Dein Glück, seit wir schieden.
Ich aber, die stumm,
Ohne Hoffnung und Trost,
Gesucht Dich ... gesucht
Und endlich gefunden –
Ich stehe wiederum
Einsam, verstoßen,
Vor Deinem Haus,
Vor Deinem Herzen –
Verstoßen ... einsam!
Oh fehlte nur Erinnerung an die Stunde,
Die ich verlebt in fieberndem Entzücken,
Entgegenträumend Deinen ernsten Blicken,
Dem Druck der Hand, dem Wort aus Deinem Munde.
Und nun liegt Alles todt auf tiefstem Grunde,
Das ganze Traumglück sah ich Dich zerstücken,
Und uns zusammen führen keine Brücken ...
Oh fehlte nur Erinnerung an die Stunde!
Wenn in dieses Sterben
Der Glocke Schall
Oft plötzlich tönet,
Dann fliegen die Pulse,
Mein mattes Herz
Erzittert lauschend,
Als stünde das Leben
Vor meiner Thür
Und trüge versöhnt
Deine schönen Züge,
Die nur im Traum
Mich zärtlich grüßen.
Jäh ist mir manchmal durch den Sinn gegangen,
Was wohl geschieht, wenn wir uns nun begegnen?
Ich dachte mir, ich könnte Dich nicht segnen,
Wenn Deine Augen fremd an meinen hangen.
Doch als Dein kalter Blick jetzt traf den meinen,
Da schwankten rings die Menschen, Häuser, Gassen,
Ich aber wollte Deine Hand erfassen,
Anklammern mich und weinen, laut aufweinen ...
Die Welt ist so groß –
Leicht kann sich verbergen
Ein trauerndes Weib.
Wir können nicht weilen
Am selben Ort,
Es giebt kein Meiden.
Mir unbewußt führt
Mein Herz mich die Wege,
Die täglich Du gehst.
Und still wie Dein Schatten
Folg' ich Dir nach
Und bebe zusammen,
Wenn träumend oft hängt
Dein prüfendes Auge
An einem Antlitz.
In Jugend und Schöne,
Lächelnd, blühend,
Wie vormals das meine.
Die Welt ist so groß, –
Leicht kann sich verbergen
Ein glückloses Weib.
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