Tempora mutantur

Stand ein Rosenstrauch im Mai
Blühend an sonniger Halde,
Flog ein lustiger Fink herbei
Aus dem schattigen Walde.

Und der lustige Finke sprach:
»Lass, o Rose, mich wohnen
Unter deinem Blätterdach,
Will’s nach Kräften dir lohnen.

Will dich preisen mit süssem Sang,
Selig durch deine Minne –
Will dir dienen mein Leben lang,
Schöne Frau Königinne! –«

Sprach die Rose: »Ein Finkenhahn
Soll mich nicht bethören,
Wenn du wärest der Goldfasan,
Möcht’ ich vielleicht dich erhören.
Aber zwischen uns beiden liegt
Eine gewaltige Schranke,
Und kein Finke darüber fliegt; –
Nein – mein Herr, –- ich danke.« –

Kehrte der Finke zurück zum Wald,
Dachte nicht weiter an Minne,
Pfiff und sang, da kam ihm bald
Röslein aus dem Sinne.

Als der Winter kam ins Land,
Fand er auf jenem Flecke,
Wo im Frühling die Rose stand,
Eine dornige Hecke;

Hingen nur wenige Blättlein dran,
Welk und halb erfroren –
Wartend auf den Goldfasan,
Hat sie die Blüte verloren.

Als die Hecke den Finken erkannt,
Rief sie mit einer Verbeugung:
»Zog dich endlich aus fernem Land
Heim deine erste Neigung?

Komm, mein Trauter, uns trennt fortan
Keine hemmende Schranke –«
Sah sie der Fink bedenklich an,
Sprach: »Mein Fräulein – ich danke!« –

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