Wilhelm Busch
15.04.1832 - 09.01.1908
Deutscher Dichter und Zeichner
Heinrich Christian Wilhelm Busch (* 15. April 1832 in Wiedensahl; † 9. Januar 1908 in Mechtshausen) war einer der einflussreichsten humoristischen Dichter und Zeichner Deutschlands.
Seine erste Bildergeschichte als Tafeln erschien 1859 und als ein Buch Bilderpossen 1864. Schon in den 1870er Jahren zählte er zu den bekannten Persönlichkeiten Deutschlands. Zu seinem Todeszeitpunkt galt er als ein „Klassiker des deutschen Humors“, der mit seinen satirischen Bildergeschichten eine große Volkstümlichkeit erreichte. Er gilt heute als einer der Pioniere des Comics. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Bildergeschichten Max und Moritz, Die fromme Helene, Plisch und Plum, Hans Huckebein, der Unglücksrabe und die Knopp-Trilogie. Viele seiner Zweizeiler wie „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr“ oder „Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich“ sind zu festen Redewendungen geworden. Seine Satiren verspotten häufig Eigenschaften einzelner Typen oder Gesellschaftsgruppen. So greift er in seinen Bildergeschichten die Selbstzufriedenheit und zweifelhafte Moralauffassung des Spießbürgers und die Frömmelei bürgerlicher und geistlicher Personen an.
Busch war ein ernster und verschlossener Mensch, der viele Jahre seines Lebens zurückgezogen in der Provinz lebte. Seinen Bildergeschichten, die er als „Schosen“ (französisch chose = Sache, Ding, quelque chose = etwas, irgendwas) bezeichnete, maß er wenig Wert bei. Sie waren am Beginn für ihn nur ein Broterwerb, mit dem er nach einem nicht beendeten Kunststudium und jahrelanger finanzieller Abhängigkeit von den Eltern seine drückende wirtschaftliche Situation aufbessern konnte. Sein Versuch, sich als ernsthafter Maler zu etablieren, scheiterte an seinen eigenen Maßstäben. Die meisten seiner Bilder hat Wilhelm Busch vernichtet, die erhaltenen wirken häufig wie Improvisationen oder flüchtige Farbnotizen und lassen sich nur schwer einer malerischen Richtung zuordnen. Seine von Heinrich Heine beeinflusste lyrische Dichtung und seine Prosatexte stießen beim Publikum, das mit dem Namen Wilhelm Busch Bildergeschichten verband, auf Unverständnis. Die Enttäuschung seiner künstlerischen Hoffnungen und das Ablegen überhöhter Erwartungen an das eigene Leben sind Motive, die sich sowohl in seinen Bildergeschichten als auch in seinem literarischen Werk wiederfinden.
Familienhintergrund
Johann Georg Kleine, der Großvater Wilhelm Buschs auf mütterlicher Seite, ließ sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts in dem kleinen, ländlich geprägten Ort Wiedensahl zwischen dem schaumburgischen Stadthagen und dem hannoverschen Kloster Loccum nieder. Er erwarb dort 1817 ein strohgedecktes Fachwerkhaus, in dem rund 15 Jahre später Wilhelm Busch zur Welt kam. Amalie Kleine, Wilhelm Buschs Großmutter, führte in dem Ort einen Krämerladen, in dem Buschs Mutter Henriette aushalf, während ihre zwei Brüder das Gymnasium besuchten. Johann Georg Kleine starb 1820. Seine Witwe führte gemeinsam mit ihrer Tochter den Krämerladen weiter, um den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen. Mit 19 Jahren heiratete Henriette Kleine in erster Ehe den Nachfolger ihres Vaters, den Wundarzt Friedrich Wilhelm Stümpe. Bereits mit 26 Jahren war Henriette Kleine verwitwet, die drei Kinder aus dieser Verbindung waren noch als Kleinkinder verstorben. Etwa um 1830 ließ sich in Wiedensahl der unehelich geborene Bauernsohn Friedrich Wilhelm Busch nieder. Er hatte im benachbarten Loccum eine Kaufmannslehre absolviert und übernahm zunächst in Wiedensahl den Krämerladen, den er von Grund auf modernisierte.
Kindheit
Wilhelm Busch wurde am 15. April 1832 als erstes von sieben Kindern aus der Ehe zwischen Henriette Kleine und Friedrich Wilhelm Busch geboren. Sechs weitere Geschwister folgten in kurzem Abstand. Fanny (1834), Gustav (1836), Adolf (1838), Otto (1841), Anna (1843) und Hermann (1845) überlebten alle ihre Kinderzeit. Die Eltern waren strebsame, fleißige und fromme Protestanten, die es im Laufe ihres Lebens zu einigem Wohlstand brachten. Sie konnten es sich später erlauben, neben Wilhelm zwei weitere ihrer Söhne studieren zu lassen. Die Bereitschaft Friedrich Wilhelm Buschs, in so hohem Maße in die Ausbildung seiner Söhne zu investieren, führt der Busch-Biograf Berndt W. Wessling zumindest zu einem Teil auf dessen eigene uneheliche Abstammung zurück, die insbesondere im dörflichen Raum ein erheblicher gesellschaftlicher Makel war.
Der junge Wilhelm Busch war zwar groß gewachsen, jedoch von eher zartem und feingliedrigem Körperbau. Jungenhaft derbe Streiche, wie er sie später seinen Protagonisten Max und Moritz andichtete, blieben in seiner Wiedensahler Kindheit selten. Er selbst hat sich später in seinen autobiographischen Skizzen und Briefen als ein empfindsames, ängstliches Kind geschildert, das die „Bangigkeit gründlich studiert“ habe und fasziniert, mitleidig und verstört reagierte, wenn im Herbst die Haustiere geschlachtet wurden. Das kindliche Miterleben der „schauderhaft anziehenden“ „Metamorphose in Wurst“ prägte Wilhelm Busch so nachhaltig, dass er sich während seines gesamten Lebens vor Schweinefleisch ekelte.
Im Herbst 1841, nach der Geburt des Bruders Otto, wurde der nunmehr neunjährige Wilhelm Busch seinem Onkel mütterlicherseits, dem 35-jährigen Pfarrer Georg Kleine in Ebergötzen, zur Erziehung anvertraut. Vermutlich geschah dies neben der kinderzahlbedingten räumlichen Enge auch deshalb, weil Friedrich Wilhelm Busch für seinen Sohn eine bessere Erziehung wünschte, als die Wiedensahler Dorfschule zu leisten vermochte, wo bis zu 100 Kinder gleichzeitig auf 66 Quadratmeter unterrichtet wurden. Die nächste von Wiedensahl erreichbare weiterführende Schule lag im ca. 20 Kilometer entfernten Bückeburg. Die Buschs hätten ihren Sohn dort als Kostgänger bei einer fremden Familie unterbringen müssen. Pfarrer Kleine, der gerade selbst erst Vater geworden war, verfügte in Ebergötzen über ein geräumiges Pfarrhaus und war prädestiniert, gemeinsam mit seiner Frau Fanny Petri eine Ersatzelternrolle wahrzunehmen. Tatsächlich erwies sich Georg Kleine als ein verantwortungsbewusster und fürsorglicher Onkel, bei dem Wilhelm Busch in den Jahren seiner Erfolglosigkeit immer wieder Zuflucht fand.
Von seinem Onkel erhielt Wilhelm Busch Privatunterricht, an dem auch sein neuer Freund Erich Bachmann (1832–1907) teilnehmen durfte. Erich Bachmann war der Sohn des wohlhabendsten Müllers von Ebergötzen und im selben Alter wie Wilhelm Busch. Die Freundschaft zu Erich Bachmann, die Wilhelm Busch später als die längste und unverbrüchlichste seines Lebens bezeichnete, fand in der 1865 veröffentlichten Geschichte von Max und Moritz ihren literarischen Nachhall. Ein kleines Bleistiftporträt, das Wilhelm Busch im Alter von 14 Jahren von seinem Freund zeichnete, zeigt Erich Bachmann als pausbäckigen, selbstbewussten Jungen, der ähnlich wie der Max dieser Geschichte von derber Struktur war. Das zeitgleich entstandene Selbstporträt Buschs weist einen Haarwirbel auf, der bei Moritz zur kessen Tolle wurde.
In welchen Fächern Georg Kleine seinen Neffen und dessen Freund unterrichtete, ist nicht genau bekannt. Als Theologe war Georg Kleine Altsprachler. In Mathematik erlernte Wilhelm Busch bei seinem Onkel nur die vier Grundrechenarten. Vermutlich war der naturwissenschaftliche Unterricht etwas umfangreicher, denn Georg Kleine war wie viele Pfarrer seiner Zeit Imker und verfasste Aufsätze und Fachbücher über sein Hobby. Wilhelm Busch hat in späteren Geschichten seine Kenntnisse der Imkerei unter Beweis gestellt. Zum Unterricht gehörte auch Zeichnen und später das Lesen von deutschen und englischen Dichtern.
Zu seinen leiblichen Eltern hatte Wilhelm Busch während seiner Ebergötzer Jahre wenig Kontakt. Die Distanz von 165 Kilometern zwischen Wiedensahl und Ebergötzen entsprach damals einer dreitägigen Reise mit dem Pferdewagen. Der Vater kam zwar ein oder zwei Mal pro Jahr zu Besuch. Die Mutter blieb wegen der Versorgung der jüngeren Kinder in Wiedensahl zurück. Erst als Zwölfjähriger kehrte Wilhelm Busch für einen Besuch zu seiner Familie zurück. Bei der Wiederbegegnung erkannte die Mutter ihren Sohn zunächst nicht. Einige Biographen Buschs sehen in der frühen Entfremdung von den Eltern und vor allem von der Mutter die Ursache für Wilhelm Buschs späteres eigenbrötlerisches Junggesellentum.
Studium
Im Herbst 1846 zog Wilhelm Busch gemeinsam mit der Familie Kleine nach Lüthorst um. Dort wurde er am 11. April 1847 konfirmiert, und dort hielt er sich bis 1897 häufig auf, zumal sein Bruder die angrenzende Domäne Hunnesrück verwaltete. Im September 1847 begann er ein Maschinenbaustudium am Polytechnikum Hannover. Buschs Biografen sind sich nicht einig, aus welchem Grund die schulische Ausbildung in diesem Moment abgebrochen wurde. Die meisten Biografen vertreten die Ansicht, dass dies auf Wunsch des Vaters geschah, der für seinen musisch veranlagten Sohn nicht ausreichend Verständnis gehabt habe. Buschs Biografin Eva Weissweiler vermutet jedoch, dass auch Pfarrer Georg Kleine an dieser Entscheidung wesentlichen Anteil hatte. Mögliche Auslöser sind nach ihrer Ansicht Wilhelm Buschs freundschaftlicher Umgang mit dem Gastwirt Brümmer, in dessen Gaststube politisch debattiert wurde, und Buschs mangelnde Bereitschaft, jedes Wort der Bibel und des Katechismus zu glauben.
Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, den Stoff zu bewältigen, studierte Busch fast vier Jahre am Polytechnikum in Hannover. Wenige Monate vor Abschluss des Studiums konfrontierte er die Eltern mit dem Wunsch, an die Kunstakademie Düsseldorf zu wechseln. Nach dem Bericht von Buschs Neffen Hermann Nöldeke war es vor allem die Mutter, bei der er Unterstützung fand. Der Vater gab schließlich nach, und im Juni 1851 reiste Wilhelm Busch nach Düsseldorf, um sich dort an der Kunstakademie einzuschreiben. Zu seiner Enttäuschung wurde der 19-jährige Wilhelm Busch dort nicht zur Klasse der fortgeschritteneren Studenten zugelassen, sondern kam nur in eine der vorbereitenden Klassen. Obwohl die Eltern Studiengebühren für ein Jahr bezahlt hatten, blieb Wilhelm Busch dem Unterricht sehr schnell zunehmend fern.
Im Mai 1852 reiste Wilhelm Busch nach Antwerpen ab, um sein Kunststudium an der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten bei Josephus Laurentius Dyckmans fortzusetzen. Seine Eltern hatte er mit dem (nicht zutreffenden) Argument überzeugt, dass das Studium in Antwerpen weniger verschult als in Düsseldorf sei und er dort die alten Meister studieren könne. In Antwerpen sah er sich erstmals Gemälde von Peter Paul Rubens, Adriaen Brouwer, David Teniers und Frans Hals an. Die Gemälde schürten bei ihm die Begeisterung für Malerei, ließen ihn aber gleichzeitig an den eigenen malerischen Fähigkeiten zweifeln. Schließlich brach er das Studium in Antwerpen ab. Nach einer schweren Typhuserkrankung kehrte er 1853 mittellos nach Wiedensahl zurück.
Der von seiner Erkrankung noch schwer gezeichnete Wilhelm Busch verbrachte die nächsten fünf Monate mit Malen und dem Sammeln von Volksmärchen, Sagen, Liedern, Balladen, Reimen und Bruchstücken aus dem lokalen Aberglauben. Buschs Biograf Joseph Kraus bewertet diese Sammlung als brauchbaren Beitrag zur Volkskunde, weil Wilhelm Busch nicht nur die Eigenheiten des Erzählers, sondern auch die Begleitumstände der Erzählsituation festhielt. Wilhelm Busch versuchte, diese Sammlung zu publizieren, fand aber keinen Verleger. Die Sammlung erschien erst nach seinem Tode. Sie brachte ihm während der NS-Zeit den Ruf ein, ein „völkischer Seher“ gewesen zu sein.
München
Nachdem Wilhelm Busch weitere sechs Monate bei seinem Onkel Georg Kleine in Lüthorst verbracht hatte, wollte er in München sein Kunststudium fortsetzen. Der Wunsch führte zum Zerwürfnis mit dem Vater, der ihn schließlich mit einer letzten Geldzahlung nach München verabschiedete. Die Erwartungen, die Wilhelm Busch an das Kunststudium in München geknüpft hatte, wurden nicht erfüllt. Vier Jahre lang ließ sich Wilhelm Busch scheinbar planlos treiben. Er kehrte zwar immer wieder zu seinem Onkel nach Lüthorst zurück, hatte aber den Kontakt zu den Eltern abgebrochen. Seine Situation erschien ihm so perspektivlos, dass er in den Jahren 1857 und 1858 erwog, nach Brasilien auszuwandern, um dort Bienen zu züchten.
Kontakte zur Münchener Kunstszene fand Wilhelm Busch im Künstlerverein Jung München, in dem nahezu alle wichtigen Münchener Maler zusammengeschlossen waren und für dessen Vereinszeitung er unter anderem Karikaturen und Gebrauchstexte verfertigte. Kaspar Braun, der die satirischen Zeitungen Münchener Bilderbogen und Fliegende Blätter verlegte, wurde dadurch auf Busch aufmerksam und bot ihm schließlich eine freie Mitarbeit an. Dank der Honorare war Wilhelm Busch erstmals schuldenfrei und verfügte über ausreichende Geldmittel für seinen Lebensunterhalt.
In diese Zeit scheint auch die erste intensivere Beziehung zu einer Frau zu fallen. Darauf weist jedenfalls eine erhalten gebliebene Selbstkarikatur hin, die er der „Vielgeliebten in Ammerland“ widmete. Sein Werben um Anna Richter, eine 17-jährige Kaufmannstochter, die Wilhelm Busch durch seinen Bruder Gustav kennenlernte, scheiterte 1862. Vermutlich weigerte sich Anna Richters Vater, seine Tochter einem zu dem Zeitpunkt noch unbekannten Künstler anzuvertrauen, der ohne regelmäßiges Einkommen war.
In die frühen Münchener Jahre fallen auch Wilhelm Buschs Versuche als Librettist, die heute so gut wie vergessen sind. Bis 1863 schrieb er drei größere Bühnenarbeiten, von denen mit Sicherheit zwei und möglicherweise auch die dritte von Georg Kremplsetzer vertont wurden. Weder Liebestreu und Grausamkeit, eine romantische Oper in drei Akten, noch das Märchensingspiel Hansel und Gretel und Der Vetter auf Besuch, eine Art Opera buffa, waren sonderlich erfolgreich. Bei der Inszenierung von Der Vetter auf Besuch kam es zu Streitigkeiten zwischen Busch und Kremplsetzer, sodass Busch seinen Namen als Autor zurückzog und das Stück auf dem Theaterzettel nur noch als Singspiel von Georg Kremplsetzer geführt wurde.
Max und Moritz
Zwischen 1860 und 1863 verfasste Wilhelm Busch über hundert Beiträge für den Münchener Bilderbogen und die Fliegenden Blätter. Die Abhängigkeit vom Verleger Kaspar Braun fand Busch zunehmend beengend, sodass er sich mit Heinrich Richter, dem Sohn des sächsischen Malers Ludwig Richter, einen neuen Verleger suchte. In Heinrich Richters Verlag waren bislang nur Werke von Ludwig Richter sowie Kinderbücher und religiöse Erbauungsliteratur erschienen. Wilhelm Busch war sich dieser Tatsache möglicherweise nicht bewusst, als er mit Heinrich Richter die Publikation eines Bilderbuchs vereinbarte. Die Themenwahl war Wilhelm Busch freigestellt, seine vier vorgeschlagenen Bildergeschichten stießen jedoch bei Heinrich Richter auf Vorbehalte. Die Bedenken Heinrich Richters waren berechtigt, die 1864 erschienenen Bilderpossen erwiesen sich als Misserfolg.
Vermutlich als Wiedergutmachung für den erlittenen finanziellen Verlust bot Wilhelm Busch seinem Dresdner Verleger das Manuskript von Max und Moritz an und verzichtete dabei auf jegliche Honorarforderungen. Heinrich Richter lehnte das Manuskript allerdings wegen mangelnder Verkaufsaussichten ab. Schließlich erwarb Buschs alter Verleger Kaspar Braun für eine einmalige Zahlung von 1000 Gulden die Rechte an der Bildergeschichte. Dies entsprach etwa zwei Jahreslöhnen eines Handwerkers und war für Wilhelm Busch eine stolze Summe. Für Kaspar Braun sollte sich das Geschäft als verlegerischer Glücksgriff erweisen.
Der Verkauf von Max und Moritz verlief zunächst sehr schleppend. Erst ab der zweiten Auflage 1868 verbesserten sich die Verkaufszahlen, und in Buschs Todesjahr 1908 zählte man bereits die 56. Auflage und mehr als 430.000 verkaufte Exemplare. Von der Kritik blieb das Werk zunächst unbeachtet. Erst nach 1870 kritisierten es die Pädagogen der Bismarckzeit als frivoles Werk mit jugendgefährdender Wirkung.
Frankfurt am Main
Mit zunehmendem wirtschaftlichen Erfolg kehrte Wilhelm Busch immer häufiger nach Wiedensahl zurück. In München lebten nur noch wenige seiner Bekannten, der Künstlerverein hatte sich zwischenzeitlich aufgelöst. Schließlich gab Wilhelm Busch seinen Wohnsitz in München auf. Im Juni 1867 besuchte Wilhelm Busch erstmals seinen Bruder Otto in Frankfurt am Main, wo dieser als Hauslehrer der wohlhabenden Bankiers- und Industriellenfamilie Keßler angestellt war. Busch schloss schnell Freundschaft mit der Hausherrin Johanna Keßler. Die siebenfache Mutter war in Frankfurt eine einflussreiche Kunst- und Musikmäzenin, die in ihrer Villa an der Bockenheimer Landstraße regelmäßig einen Salon veranstaltete, in dem Maler, Musiker und Philosophen verkehrten. In Wilhelm Busch glaubte sie einen großen Maler zu entdecken, und Anton Burger, der führende Maler der Kronberger Malerkolonie, unterstützte sie in dieser Einschätzung. Während sie Wilhelm Buschs humoristischen Zeichnungen nicht viel abgewinnen konnte, wollte sie seine Malerkarriere fördern. Sie richtete ihm zunächst eine Wohnung und ein Atelier in ihrer Villa ein. Später nahm sich Wilhelm Busch in der Nähe der Keßlerschen Villa eine eigene Wohnung, in der eine Haushälterin der Familie Keßler regelmäßig nach dem Rechten sah. Von der Unterstützung und Bewunderung Johanna Keßlers motiviert, gelten die Frankfurter Jahre als der Zeitraum, in dem Wilhelm Busch malerisch am produktivsten war. Sie zählen auch zu den geistig angeregtesten, da er sich durch seinen Bruder intensiver mit dem Werk Arthur Schopenhauers auseinandersetzte und durch Johanna Keßler am kulturellen Leben Frankfurts teilnahm.
Wilhelm Busch ließ sich nicht dauerhaft in Frankfurt am Main nieder. Gegen Ende der 1860er Jahre pendelte er ständig zwischen Frankfurt, Wiedensahl, Lüthorst und Wolfenbüttel, wo sein Bruder Gustav lebte. Die Verbindung zu Johanna Keßler währte fünf Jahre. Nach seiner Rückkehr nach Wiedensahl im Jahre 1872 blieb es zunächst bei einer Brieffreundschaft, die zwischen 1877 und 1891 völlig einschlief. Erst 1891 kam es auf Initiative der Keßlerschen Töchter wieder zu einem Kontakt zwischen Wilhelm Busch und der mittlerweile verwitweten Johanna Keßler.
Der heilige Antonius von Padua und die Fromme Helene
In die Frankfurter Jahre fällt die Veröffentlichung von drei in sich geschlossenen Bildergeschichten, die teilweise oder ganz von Buschs antiklerikaler Einstellung bestimmt waren und in Deutschland vor dem Hintergrund des Kulturkampfs schnell weite Verbreitung fanden. Wilhelm Busch begriff seine Geschichten in der Regel nicht als eine Stellungnahme zu Fragen des politischen Tagesgeschehens. In ihrer satirischen Überzeichnung von Frömmelei, Aberglauben und spießiger Doppelmoral gehen zumindest zwei der Bildergeschichten weit über den konkreten historischen Kontext hinaus. Die dritte Bildergeschichte, Pater Filucius, hat einen stärkeren Zeitbezug und wurde von Wilhelm Busch selbstkritisch als eine „allegorische Eintagsfliege“ bezeichnet.
In Der heilige Antonius von Padua wendet sich Wilhelm Busch gegen das Heiligenbild der katholischen Kirche. Die Bildergeschichte erschien zu dem Zeitpunkt, zu dem Pius IX. die Dogmen der päpstlichen Unfehlbarkeit verkündete, an denen sich die protestantische Welt außerordentlich rieb. Der Verlag Moritz Schauenburg, der den Heiligen Antonius herausbrachte, wurde wegen anderer Veröffentlichungen besonders streng von der Zensur überwacht. Die Veröffentlichung von Buschs neuer Bildergeschichte nahm die Staatsanwaltschaft in Offenburg zum Anlass, den Verleger Moritz Schauenburg wegen „Herabwürdigung der Religion und Erregung öffentlichen Ärgernisses durch unzüchtige Schriften“ anzuklagen, was Wilhelm Busch sehr traf. Anstoß erregten insbesondere Szenen, in denen der Teufel in Form einer leicht geschürzten Balletteuse Antonius zu verführen sucht und Antonius gemeinsam mit einem Schwein im Himmel aufgenommen wird. Das Düsseldorfer Landgericht folgte dem Offenburger Beispiel und ließ den Heiligen Antonius beschlagnahmen. Obwohl der Verleger Schauenburg am 27. März 1871 in Offenburg freigesprochen wurde, sprach man in Österreich sogar ein Verbot des Werkes aus, das bis 1902 Gültigkeit hatte.
Moritz Schauenburg lehnte die Veröffentlichung der nächsten Bildergeschichte ab, da er weitere Anklagen befürchtete. Die Fromme Helene wurde stattdessen von Otto Friedrich Bassermann herausgebracht, den Wilhelm Busch aus seiner Münchener Zeit kannte. In der Frommen Helene, die sehr bald auch in anderen europäischen Sprachen erschien, beleuchtet Wilhelm Busch satirisch religiöse Heuchelei und zwielichtige Bürgermoral:
Ein guter Mensch gibt gerne acht,
Ob auch der andre was Böses macht;
Und strebt durch häufige Belehrung
Nach seiner Beß’rung und Bekehrung
Viele Einzelheiten der Frommen Helene lassen Kritik am Lebenskonzept der Familie Keßler erkennen. Johanna Keßler war mit einem deutlich älteren Mann verheiratet und ließ ihre Kinder von Gouvernanten und Hauslehrern großziehen, während sie eine aktive Rolle im Frankfurter Gesellschaftsleben spielte.
Schweigen will ich vom Theater
Wie von da, des Abends spät,
Schöne Mutter, alter Vater
Arm in Arm nach Hause geht
Zwar man zeuget viele Kinder,
Doch man denket nichts dabei.
Und die Kinder werden Sünder,
Wenn’s den Eltern einerlei.
Auch die Heirat der deutlich gealterten Helene mit dem reichen G. I. C. Schmöck scheint eine Anspielung auf Johanna Keßlers Mann zu sein, der seinen Namen zu J. D. H. Keßler abkürzte. Nach Meinung der Busch-Biografin Weissweiler leitet sich Schmöck von Schmock ab, einem jiddischen Schimpfwort, das „Dummkopf“ oder „Trottel“ bedeutet. Johanna Keßler wird auch diese Anspielung verstanden haben, denn ihr Mann war an Kunst und Kultur gänzlich uninteressiert.
Im zweiten Teil der Frommen Helene greift Wilhelm Busch das katholische Pilgerwesen an. Begleitet von ihrem Vetter Franz, einem katholischen Priester, geht die bis dahin kinderlose Helene auf Wallfahrt. Die Wallfahrt zeigt Erfolg; nach gebührender Zeit bringt Helene Zwillinge zur Welt, deren Ähnlichkeit mit ihrem Erzeuger dem Leser deutlich macht, dass nicht Schmöck, sondern Vetter Franz der Vater ist. Vetter Franz findet jedoch ein vorzeitiges Ende, da er wegen seines Interesses am weiblichen Küchenpersonal vom eifersüchtigen Kammerdiener Jean erschlagen wird. Der mittlerweile verwitweten Helene bleiben nur Rosenkranz, Gebetbuch und Alkohol als Lebenstrost. Ihr Ende findet sie, als sie betrunken in eine brennende Petroleumlampe stürzt. Nach Helenes tragikomischem Ende formuliert der Spießer Nolte einen Moralsatz, der vielfach als treffende Zusammenfassung schopenhauerischer Weisheit ausgelegt wird:
Das Gute – dieser Satz steht fest –
Ist stets das Böse, was man läßt!
Pater Filucius ist die einzige Bildergeschichte im Gesamtwerk, die auf eine Anregung des Verlegers zurückgeht. Sie gilt unter den drei antiklerikalen Bildergeschichten als die schwächste. Die Geschichte, die sich gegen den umstrittenen Jesuitenorden richtet, zielte nach dem Erfolg des heiligen Antonius und der Frommen Helene erneut auf eine antikatholische Käuferschaft ab.
Im Werk Wilhelm Buschs gibt es nur einige wenige weitere Versgeschichten, die sich auf aktuelle Ereignisse beziehen. Zu diesen Ausnahmen zählt Monsieur Jacques à Paris während der Belagerung von 1870. Die Busch-Biografin Manuela Diers bezeichnet diese Bildergeschichte als ein „geschmackloses Werk, das antifranzösische Affekte bedient und sich über die Not der Franzosen in ihrer von den preußischen Truppen belagerten Hauptstadt lustig macht“. Es zeigt einen zunehmend verzweifelten französischen Bürger, der während der deutschen Belagerung von Paris in seiner Not zunächst eine Maus als „häusliches Wildbret“ verzehrt, dann den Schwanz seines Hundes amputiert, um ihn zu kochen, und schließlich eine „Explosionspille“ erfindet, die erst seinen Hund und dann zwei seiner Mitbürger das Leben kostet. Eva Weissweiler weist allerdings darauf hin, dass Wilhelm Busch in seinen Geschichten nach allen Seiten ironische Hiebe austeilte. Mit Eginhard und Emma (1864), einer fiktiven Familienepisode aus dem Leben Karl des Großens, machte er den enthusiastischen Ruf nach einem Deutschen Reich auf den Fundamenten des Heiligen Römischen Reiches und den höfischen Katholizismus lächerlich; in Der Geburtstag oder die Partikularisten ironisierte er die fanatisch antipreußische Gesinnung seiner hannoverschen Landsleute.
Kritik des Herzens
Mit dem Wegzug von Frankfurt verzichtete Wilhelm Busch für eine Weile darauf, weitere Bildgeschichten zu zeichnen, und widmete sich überwiegend seinem ersten rein literarischen Text, der Gedichtsammlung Kritik des Herzens. Mit seinen Gedichten wollte er sich seiner Leserschaft als neuer, ernsthafter Wilhelm Busch zeigen. Die zeitgenössische Kritik reagierte auf die 81 Gedichte überwiegend verständnislos bis vernichtend. Selbst sein langjähriger Freund Paul Lindau fand es schwer, die Sammlung schönzureden, und nannte sie vorsichtig „sehr ernsthafte, tief empfundene, reizende Gedichte“. Seine Leserschaft reagierte dagegen verstört bis aufgebracht auf die Gedichte, die häufig Ehe und Sexualität thematisierten.
Buschs treibende Kraft zur Erschaffung dieses Werkes war die Eigenliebe und die Lust an der Selbstbespiegelung und nicht nur das Streben nach Ruhm, Ehre und Sonstigem. Sein damaliger Verlagsvertreter Bassermann schrieb Busch: „Die Kritik des Herzens scheint einen wahren Sturm in der Presse zu erregen.“ Dennoch gab es nur wenige positive Rezensionen. Dass dieses Werk keinen Erfolg hatte, lag zumeist daran, dass es den damaligen Lyrik-Vorstellungen nicht entsprach.
Busch sagte über das Werk Kritik des Herzens:
„In kleinen Variationen über ein bedeutendes Thema sollen diese Gedichte ein Zeugnis meines und unseres bösen Herzens ablegen.“
Eva Weissweiler schließt nicht aus, dass eine zunehmende Alkoholsucht Busch daran hinderte, sich mit seinem Werk selbstkritisch auseinanderzusetzen. Er schien sich jedoch seines Problems bewusst zu sein. Einladungen zu Feiern, bei denen Alkohol getrunken wurde, schlug Wilhelm Busch zunehmend aus. Wein ließ er sich von Otto Bassermann nach Wiedensahl schicken, damit in seiner unmittelbaren Umgebung seine Sucht möglichst unentdeckt blieb. Auch auf seinen Bildern zeigte er immer häufiger Trinker. Alkohol war nicht seine einzige Sucht. 1874 zeigte Wilhelm Busch, der ein starker Raucher war, Symptome einer schweren Nikotinvergiftung.
Abenteuer eines Junggesellen
Trotz der Schaffenspause nach dem Wegzug von Frankfurt gehören die 1870er Jahre zu Wilhelm Buschs produktivsten Jahren. 1874 veröffentlichte er Dideldum! eine Sammlung kurzer Bildgeschichten. Ab 1875 erschien seine Knopp-Trilogie. Abenteuer eines Junggesellen war der erste Teil, deren Fortsetzungen als Herr und Frau Knopp 1876 und Julchen 1877 erschienen. Erstmals ist hier der Bürger nicht Opfer handlungsstarker Plagegeister, wie es in Max und Moritz oder Hans Huckebein, der Unglücksrabe der Fall war, sondern durchgängig die handelnde Hauptperson. Gänzlich unpathetisch lässt er seinen Helden Tobias Knopp der eigenen Vergänglichkeit gewahr werden:
Rosen, Tanten, Basen, Nelken
Sind genötigt zu verwelken;
Ach – und endlich auch durch mich
Macht man einen dicken Strich
Um der Leere seines Daseins zu begegnen, geht Tobias Knopp im ersten Teil der Trilogie auf Brautschau und besucht seine alten Freunde, die er durchgängig in wenig beneidenswerten ehelichen Verhältnissen vorfindet. Da ihn auch das Beispiel des einsam lebenden Eremiten nicht überzeugt, macht er, nach Hause zurückgekehrt, kurzerhand seiner Haushälterin einen Heiratsantrag, der nach Meinung von Buschs Biografen Joseph Kraus der kürzeste der deutschen Literaturgeschichte ist:
Mädchen, – spricht er – sag mir ob –
Und sie lächelt: Ja, Herr Knopp!
In der Darstellung der „ehelichen Lustbarkeiten“ ging Wilhelm Busch bis an die Grenze dessen, was bei einer im Buchhandel des 19. Jahrhunderts frei verkäuflichen Veröffentlichung möglich war. Lebensinhalt der beiden wird schließlich Tochter Julchen. Und nachdem Tobias Knopp ein zufriedenes Eheleben lang von einer Mahlzeit zur anderen duselt und schließlich auch seine Tochter verheiratet hat, wird sein Leben wieder gänzlich bedeutungslos.
Knopp der hat hienieden nun
Eigentlich nichts mehr zu tun. –
Er hat seinen Zweck erfüllt. –
Runzlich wird sein Lebensbild. –
Nach Ansicht von Buschs Biografen Berndt W. Wessling schrieb sich Wilhelm Busch mit seiner Knopp-Trilogie die Lust auf eine Ehe vom Leib. Seine Haushälterin fand er in seiner Schwester Fanny. An Marie Anderson schrieb er: „Ich werde nie heiraten … Bei meiner Schwester habe ich es nun auch gut.“
Bis zum Tod von Fannys Mann, Pastor Hermann Nöldeke, lebte er gemeinsam mit Fannys Familie im Pfarrhaus. Nach dem Tod seines Schwagers 1879 ließ er das Pfarrwitwenhaus nach seinen Vorstellungen umbauen. Dort führte ihm die Schwester den Haushalt, und er vertrat an seinen drei minderjährigen Neffen die Vaterstelle. Seine Schwester hätte es vorgezogen, wegen der Ausbildung ihrer Söhne in einer städtischeren Umgebung zu leben. Nach den Erinnerungen seines Neffen Adolf Nöldeke knüpfte Wilhelm Busch seine Sorge für die Familie jedoch an einen Verbleib in Wiedensahl.
Das Zusammenleben mit Wilhelm Busch bot Fanny Nöldeke und ihren drei Söhnen nicht die Idylle der Knoppschen Ehe. Insbesondere die Jahre um 1880 waren für Wilhelm Busch eine Zeit der körperlichen und seelischen Krisen. Wilhelm Busch ertrug keinen Besuch, so dass Fanny Nöldeke allen Kontakt zum Dorf abbrechen musste. Freunde wie Otto Friedrich Bassermann, Franz von Lenbach, Hermann Levi oder Wilhelm von Kaulbach lud er nicht nach Wiedensahl ein, sondern traf sie in Kassel oder Hannover. Obwohl Busch längst ein wohlhabender Mann war, musste Fanny Nöldeke den Haushalt ohne Hilfe bewältigen. Widersetzte sich seine Schwester seinen Wünschen, geriet er in Rage. Nach wie vor war Wilhelm Busch alkoholsüchtig. Seine 1878 erschienene Bildergeschichte Die Haarbeutel thematisiert in neun Einzelepisoden, wie sich Mensch und Tier betrinken. Nur vordergründig komisch und harmlos, ist es aus Sicht der Busch-Biografin Weissweiler eine bittere Studie über die Sucht und den durch sie hervorgerufenen Zustand des Wahns.
Ab 1873 kehrte Wilhelm Busch mehrmals nach München zurück und nahm intensiv am Leben der Münchner Künstlergesellschaft teil. Es war sein Versuch, sich nicht zu sehr ins provinzielle Leben zurückzuziehen. In einem letzten Versuch, sich als ernsthafter Maler zu etablieren, unterhielt er ab 1877 in München sogar ein Atelier. Seine Aufenthalte in München beendete er 1881 abrupt, nachdem er während eines gemeinsamen Varietébesuches mit der Familie von Lenbach in stark angetrunkenem Zustand die Veranstaltung pöbelnd unterbrochen und beim anschließenden geselligen Beisammensein eine Szene gemacht hatte.
Was mich betrifft
Am Ende von Buschs Laufbahn als Zeichner von Bildergeschichten entstanden die beiden Werke Balduin Bählamm, der verhinderte Dichter (1883) und Maler Klecksel (1884), die beide künstlerisches Scheitern thematisieren und somit gleichsam ein Selbstkommentar sind. Beide Geschichten haben jeweils eine einleitende Vorrede, die nach Ansicht des Busch-Biografen Joseph Kraus beide Bravourstücke der komischen Lyrik sind. Während in Balduin Bählamm der bürgerliche Hobby-Dichter und der Münchener Dichterkreis Die Krokodile mit seinen Hauptvertretern Emanuel Geibel, Paul von Heyse und Adolf Wilbrandt verspottet werden, zielt Maler Klecksel vor allem auf den bürgerlichen Kunstkenner ab, dessen Schlüssel zur Kunst vor allem der Preis des Werkes ist.
Mit scharfem Blick nach Kennerweise
Seh ich zunächst mal nach dem Preise,
Und bei genauerer Betrachtung
Steigt mit dem Preise auch die Achtung.
Ich blicke durch die hohle Hand,
Ich blinzle, nicke: Ah, scharmant!
Das Kolorit, die Pinselführung,
Die Farbentöne, die Gruppierung,
Dies Lüster, diese Harmonie,
Ein Meisterwerk der Phantasie.
1886 erschien die erste Biografie über Wilhelm Busch im deutschen Buchhandel. Der Verfasser Eduard Daelen, ein Maler und Schriftsteller, war als vehementer Anti-Katholik der Ansicht, in Wilhelm Busch einen Gleichgesinnten gefunden zu haben. Als Über Wilhelm Busch und seine Bedeutung erschien, waren sowohl Busch als auch sein Freundeskreis peinlich berührt. In der skurrilen Laudatio setzte Eduard Daelen Wilhelm Busch mit Größen wie Leonardo da Vinci, Peter Paul Rubens und Gottfried Wilhelm Leibniz gleich und zitierte unkritisch aus einem unverbindlichen Briefwechsel mit Busch. Den Literaturwissenschaftler Friedrich Theodor Vischer, der in seinem Aufsatz „Über neuere deutsche Karikatur“ neben einer respektvollen Würdigung Buschs auch einige kritische Anmerkungen traf, griff Daelen in seitenlangen Tiraden als „Literaturbonzen“ an und unterstellte ihm den „Eunuchenneid des vertrockneten Philisters“. Auf Daelens biografischen Versuch antwortete als einer der Ersten der Literaturhistoriker Johannes Proelß. Sein Essay, der in der Frankfurter Zeitung erschien, enthielt eine Reihe falscher biografischer Daten und war für Wilhelm Busch der Anlass, sich in derselben Zeitung zu seiner Person zu äußern.
Die zwei Zeitungsartikel, die im Oktober und Dezember 1886 unter dem Titel Was mich betrifft erschienen, teilen dem Leser nur das Dürftigste mit. Busch deutete immerhin an, dass er zahlreiche dunkle Stunden durchlebe: „Es kommt die stille, einsame, dunkle Nacht. Da geht’s um in der Gehirnkapsel und spukt durch alle Gebeine, und du wirfst dich von dem heißen Zipfel deines Kopfkissens auf den kalten und her und hin, bis dir der Lärm des aufdämmernden Morgens wie ein musikalischer Genuß erscheint.“ Analytiker lesen aus Buschs autobiografischen Essays eine tiefgehende Identitätskrise heraus. Busch revidierte seine selbstbiografischen Äußerungen in den kommenden Jahren immer wieder. Die letzte Fassung, die unter dem Titel Von mir über mich erschien, enthält weniger biografische Informationen als die Erstfassung Was mich betrifft und lässt auch die Anzeichen von Bitterkeit und Belustigung über sich selbst vermissen, die in Was mich betrifft noch zu erkennen waren.
Die letzten Jahre
Das Prosastück Eduards Traum erschien 1891. Der Text weist keinen eigentlichen Handlungsstrang auf, sondern besteht aus vielen kleinen ineinander geschachtelten Episoden. Die Urteile über diese Erzählung gehen weit auseinander. Joseph Kraus sieht in dieser Erzählung den eigentlichen Höhepunkt des Lebenswerkes Wilhelm Buschs, die Busch-Neffen hielten es für eine Perle der Weltliteratur, und die Herausgeber der Kritischen Gesamtausgabe konstatieren eine Erzählweise, die keine Entsprechung in der Literatur seiner Zeit habe. Eva Weissweiler sieht in der Erzählung dagegen den vergeblichen Versuch Wilhelm Buschs, sich im Genre der Novelle zu bewähren, und meint, dass die polemischen Seitenhiebe gegen alles, was ihn jemals ärgerte und kränkte, seelische Abgründe freilegen, die seine Bildergeschichten nur erahnen lassen. Die 1895 erschienene Erzählung Der Schmetterling parodiert Themen und (Märchen-)Motive der deutschen Romantik und verspottet deren frommen Geschichtsoptimismus aus Buschs illusionslosem, an Schopenhauer und Charles Darwin orientiertem Menschenbild heraus. Der Text ist im Vergleich zu Eduards Traum stringenter in der Erzählweise, fand jedoch ebenso wie dieser kaum eine Leserschaft, weil er so wenig zum Gesamtwerk von Busch zu passen schien.
1896 gab Wilhelm Busch das Malen endgültig auf und trat gegen eine Abfindung von 50.000 Goldmark alle Rechte an seinen Veröffentlichungen an den Verlag Bassermann ab. Busch fühlte sich alt, weil er zum Schreiben und Malen eine Brille benötigte und ihm die Hände leicht zitterten. Auch seine Schwester Fanny Nöldeke fühlte sich nicht mehr so rüstig, sodass er 1898 gemeinsam mit ihr dem Angebot seines Neffen Otto folgte, in dessen großes Pfarrhaus in Mechtshausen umzuziehen. Für Busch war es der Rückzug auf das Altenteil. Wilhelm Busch las Biografien, Romane und Erzählungen auf Deutsch, Englisch und Französisch. Er ordnete seine Werke, schrieb Briefe und Gedichte. Die meisten der Gedichte der Sammlungen Schein und Sein und Zu guter Letzt entstanden 1899. Die Jahre danach verliefen ereignislos.
Anfang Januar 1908 erkrankte er an Halsschmerzen, der Arzt konstatierte außerdem eine Herzschwäche. In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 1908 schlief Busch so unruhig, dass ihm nur Kampfer und ein paar Tropfen Morphium für ein paar Stunden Ruhe brachten. Noch bevor der Arzt kam, den Otto Nöldeke in den Morgenstunden rief, war Wilhelm Busch entschlafen.
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