Else Lasker-Schüler
11.02.1869 - 22.01.1945
Deutsch-jüdische Dichterin
Else Lasker-Schüler, eigentlich Elisabeth Lasker-Schüler (geboren am 11. Februar 1869 in Elberfeld; gestorben am 22. Januar 1945 in Jerusalem) war eine bedeutende deutsch-jüdische Dichterin. Sie gilt als herausragende Vertreterin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus in der Literatur. Sie trat aber auch als Zeichnerin hervor.
Leben
Else Schüler wurde am 11. Februar 1869 in Elberfeld, einem heutigen Stadtteil von Wuppertal, geboren und wuchs im Briller Viertel von Elberfeld auf. Sie war das jüngste von sechs Kindern von Jeanette Schüler geb. Kissing (1838–1890). Die Mutter wurde zu einer zentralen Gestalt ihrer Dichtung. Ihr Vater war Aaron Schüler (1825–1897), ein jüdischer Privatbankier. Er wurde später Vorbild für die Hauptfigur aus Die Wupper. Jeanette Kissing war nach dem Tod ihrer Eltern von der Familie des Verlegers und Politikers Leopold Sonnemann in Frankfurt am Main aufgenommen worden. Dessen Frau Rosa war Jeanettes Ziehmutter. Elses Vater Aaron Schüler und der Berliner Bankier Julius Israel Schüler (1827–1908) waren Brüder von Rosa Sonnemann. Jeanette lernte Aaron Schüler über seinen Bruder Julius kennen.
Else galt als Wunderkind der Familie, denn sie konnte bereits mit vier Jahren lesen und schreiben. Ab 1880 besuchte sie das Lyceum West an der Aue. Nachdem sie die Schule abgebrochen hatte, erhielt sie Privatunterricht im Hause ihrer Eltern.
Als sie 13 Jahre alt war, starb ihr Lieblingsbruder Paul.
1894 heiratete Else Schüler den Arzt Jonathan Berthold Lasker, einen älteren Bruder des langjährigen Schachweltmeisters Emanuel Lasker, und zog nach Berlin um. Dort arbeitete sie im Rahmen ihrer zeichnerischen Ausbildung.
Als ihre Mutter am 27. Juli 1890 starb, bedeutete das für sie „die Vertreibung aus dem Paradies“. Sieben Jahre später starb auch ihr Vater. Am 24. August 1899 wurde ihr Sohn Paul (1899–1927) geboren, und erste Gedichte wurden veröffentlicht. Ihr erster Gedichtband Styx folgte 1901.
Am 11. April 1903 wurde die Ehe von Else Lasker-Schüler und Berthold Lasker geschieden. Am 30. November heiratete sie den Schriftsteller Georg Lewin, dem sie sein Pseudonym Herwarth Walden vorschlug.
1906 erschien Lasker-Schülers erstes Prosawerk Das Peter Hille-Buch nach Hilles Tod; er war einer ihrer engsten Freunde. 1907 erschien die Prosasammlung Die Nächte der Tino von Bagdad. 1909 publizierte sie das Schauspiel Die Wupper, das jedoch zunächst nicht zur Aufführung kam. Mit dem Gedichtband Meine Wunder (1911) wurde Lasker-Schüler zur führenden deutschen Expressionistin.
Nach der Trennung von Herwarth Walden 1910 wurde 1912 auch die zweite Ehe geschieden. Walden heiratete noch im selben Jahr in London die Schwedin Nell Roslund. Ohne eigenes Einkommen lebte Else Lasker-Schüler jetzt von der Unterstützung durch Freunde, insbesondere Karl Kraus. Im Sommer 1912 begegnete Else Lasker-Schüler Gottfried Benn. Es entstand eine intensive Freundschaft, die sich literarisch in einer großen Zahl von Liebesgedichten niederschlug, die sie Benn widmete.
Der Briefwechsel mit Franz Marc
Für das Titelblatt der Doppelnummer des Septemberhefts 1912 von Herwarth Waldens Kunstzeitschrift Der Sturm schuf Franz Marc den Holzschnitt Versöhnung („Es wird ein großer Stern in meinen Schoß fallen …“), eine Illustration des gleichnamigen Gedichts von Else Lasker-Schüler. Im Dezember 1912 lernten Franz und Maria Marc die inzwischen von Herwarth Walden geschiedene Dichterin im Berliner Heim seiner Schwiegereltern kennen. Dem Treffen war eine Korrespondenz vorausgegangen, die sich, verbunden durch eine enge Freundschaft, zu einem regen Briefwechsel zwischen dem Prinzen Jussuf von Theben (Else Lasker-Schüler) und dem Blauen Reiter (Franz Marc) bis zum Sommer 1914 entspann. Von den privaten eigenhändig bemalten Kartengrüßen und Briefen sind 66 von Else Lasker-Schüler, 28 von Franz Marc erhalten. Während Lasker-Schüler ein Ineinander und Nebeneinander von Bild und Schrift setzte, verwendete Marc die Vorderseite einer Korrespondenzkarte für eine Aquarell- oder Tuschzeichnung, betitelte sie und schrieb auf die Rückseite.
Franz Marc: Der Turm der blauen Pferde, Aquarell
Dem ersten Briefgruß Marcs mit dem programmatischen Titel Der blaue Reiter präsentiert Eurer Hoheit sein blaues Pferd folgte das Aquarell Der Turm der blauen Pferde als Neujahrsgruß auf das Jahr 1913. Marc hatte die Postkarte aus einer Bleistiftskizze entwickelt. Sie ist der einzig erhaltene farbige Entwurf für das gleichnamige verschollene Ölgemälde.
Im Ausstellungskatalog Else Lasker-Schüler. Die Bilder betont Ricarda Dick, Marc habe mit der Übernahme von Bildzeichen der Dichterin in seine Aquarelle „das Spiel des poetischen Dialogs“ erwidert und ihre Schrift-Bild-Kompositionen mit seinen Mitteln bereichert: So sind dem vorderen Pferd Halbmonde und Sterne eingeschrieben oder, wie sie einmal selbst geschrieben hatte, in die „Haut [sind] Hieroglyphen eingeschnitten […] bis ins Mark“. Damit führe ihr das Aquarell vor Augen, „wie ihre zeichenhaften Elemente ins Bild integriert werden können, ohne den Charakter zu verlieren“.
Nach Peter Klaus Schuster liegt das Einzigartige dieser Künstlerfreundschaft in der „doppelten Doppelbegabung“: „So wie sich Franz Marc in seinen Karten über das Bild hinaus als poetischer Maler zeige, antworte Else Lasker-Schüler in ihren Briefen nicht nur mit Worten, sondern auch mit Zeichnungen“.
Mit dem letzten Kartengruß sandte Marc das Bild einer arkadischen bayerischen Voralpenszene. Das Aquarell Schloss Ried mit einer Märchenlandschaft, in der ein blauer Reiter auf blauem Pferd mit dem Speer Hirsche jagt, war für den kranken Sohn Paul gedacht. Es diente ihr als Frontispiz gegenüber der Titelseite ihres Romans Der Malik. Die Briefe an den blauen Reiter Franz Marc, die zwischen 1913 und 1915 in den Zeitschriften Die Aktion und Der Brenner erschienen waren, wurden 1915 von Else Lasker-Schüler überarbeitet und als erster Teil des 1919 veröffentlichten Romans „Der Malik.“ Eine Kaisergeschichte mit selbstgezeichneten Bildern und Zeichnungen verwendet, mit der gedruckten Widmung: „Meinem unvergeßlichen Freund Franz Marc / DEM BLAUEN REITER / in Ewigkeit“. Verlegt bei Paul Cassirer in Berlin.
Emigration und Exil
Der Tod ihres Sohnes Paul 1927 stürzte die Dichterin in eine tiefe Krise.
Zusammen mit Richard Billinger erhielt die Dichterin 1932 den letztmals vor der nationalsozialistischen Machtergreifung vergebenen Kleist-Preis. Am 19. April 1933, nach tätlichen Angriffen und angesichts der Bedrohung ihres Lebens, emigrierte sie nach Zürich, erhielt dort jedoch Arbeitsverbot. Die Kantonale und die Städtische Fremdenpolizei mit ihren Kontrolldetektiven erließen nur befristete Aufenthaltsgenehmigungen und erzwangen dadurch ständige Ortswechsel. Von Zürich aus unternahm sie 1934 und 1937 zwei Reisen nach Palästina, „ihrem Hebräerland“.
1938 wurde ihr die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, sie wurde „schriftenlos“, wie es in der Schweiz heißt. 1939 reiste sie zum dritten Mal nach Palästina. Der Kriegsausbruch hinderte sie an einer Rückkehr in die Schweiz. Zudem hatten ihr die Schweizer Behörden das Rückreisevisum verweigert.
1944 erkrankte sie schwer. Nach einem Herzanfall am 16. Januar starb Else Lasker-Schüler am 22. Januar 1945. Sie wurde auf dem Ölberg in Jerusalem begraben.
Nachdem der Ölberg bei der Teilung Jerusalems 1948 unter jordanische Verwaltung gekommen war, wurde Lasker-Schülers Grab, wie viele andere historische Gräber auch, zerstört. Ihr Grabstein wurde nach der israelischen Eroberung Ostjerusalems im Sechstagekrieg versetzt neben einer Schnellstraße gefunden, welche die jordanische Verwaltung 1960 quer durch den jahrtausendealten jüdischen Friedhof bauen ließ. 1975 wurde der Grabstein an seinem heutigen Ort aufgestellt.